und zu CovPass-App ) Omikron-Welle stellt Konzept der Corona-Warn-App auf den Prüfstand Von Christoph Dernbach und Gisela Gross, dpa

Die Corona-Warn-App des Bundes registriert nicht nur risikoreiche
Begegnungen, sondern dient oft als digitaler Impfnachweis und
Kontakt-Tagebuch. Aber gefährdet nun die Omikron-Welle die
Kernfunktion der App?

Berlin (dpa) - Mit über 40 Millionen Downloads gehört die offizielle
Corona-Warn-App des Bundes zu den weltweit erfolgreichsten digitalen
Werkzeugen, um die Corona-Pandemie einzudämmen. Knapp 1,3 Millionen
Infizierte in Deutschland haben über die App vor risikoreichen
Begegnungen gewarnt. Etwa mit rechtzeitigem Testen für Betroffene
wird darauf abgezielt, eine weitere Virus-Ausbreitung zu unterbinden.

Doch trotz dieser Erfolgsgeschichte reißt die Kritik am Konzept und
an der konkreten Umsetzung nicht ab. Im Sommer 2020 zur Einführung
ging es noch um die Frage, warum die App so spät kommt und warum die
Konzerne SAP und Deutsche Telekom Millionen dafür kassieren dürfen.
Entwicklung, Weiterentwicklung und Betrieb durch die beiden
Unternehmen 2020 und 2021 kosteten insgesamt 116,3 Millionen Euro,
wie die Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der AfD-Fraktion
antwortete. Inzwischen geht es aber vor allem um die Frage, ob die
App ihren eigentlichen Zweck erfüllen kann, nämlich einen
nennenswerten Beitrag zur Eindämmung der Pandemie zu leisten.

Bereits vor gut einem Jahr rührten sich Zweifel an der Warnfunktion.
Die Macher hatten im Dezember 2020 den Algorithmus der
Kontaktberechnungen verändert, um präziser zu ermitteln, welche
Begegnungen gezählt werden sollen. Als Folge der Änderung verschwand
die Anzeige von vielen Begegnungen mit niedrigem Risiko, weil diese
für die Eindämmung der Infektionsketten keine Rolle spielten. Etliche
Anwender zogen daraus aber den Schluss, dass die App ihre
Wächterfunktion eingestellt hat, und deinstallierten die scheinbar
nutzlose Anwendung wieder.

Die aktuelle Omikron-Welle löst nun den gegenteiligen Effekt aus.
Viele Anwenderinnen und Anwender bekommen nun ständig die rote Kachel
mit dem Warnhinweis «Erhöhtes Risiko» angezeigt, weil sich Tag für

Tag Zehntausende neu infizieren und das positive Testergebnis in die
App eintragen. Auf dem Twitterkanal der App wurden Nutzer kürzlich
bereits aufgerufen, die Risikoermittlung im Testzentrum kurz
auszuschalten: Das verhindere unnötige Warnungen an dem Tag, hieß es.

Folgt man den Empfehlungen der Bundesregierung, müssten Nutzer mit
einer roten Warnmeldung sich beim Hausarzt beziehungsweise dem
örtlichen Gesundheitsamt melden. «Diese entscheiden anhand möglicher

Krankheitssymptome, wie verfahren wird.» Bei einer Warnung über ein
erhöhtes Risiko bestehe Anspruch auf einen kostenlosen Test (PCR-Test
oder Antigentest). Das gelte auch für vollständig Geimpfte.

Aber auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) ahnt, wie
schwierig es derzeit sein wird, diese offizielle Empfehlung komplett
umzusetzen, weil zumindest die Gesundheitsämter und PCR-Testzentren
hoffnungslos überlastet sind. Der studierte Mediziner gibt sich
immerhin mit einfacheren Maßnahmen zufrieden: «Wenn hier ein Test
veranlasst wird, ein Antigentest, oder man macht ihn zumindest
selbst, dann kann man damit das Pandemiegeschehen wesentlich
entschleunigen», sagte er am Dienstag. «Gerade wenn es sehr viele
Warnungen gibt, die dann zu Testungen führen, dann ist das ein ganz
wichtiger Baustein zur Entschleunigung der galoppierenden Pandemie.»

Der Minister stellt deshalb auch die App nicht infrage: «Die
Corona-Warn-App tut jetzt ihren Dienst», sagte er. Dies gelte auch,
wenn sie wegen Omikron oft anschlage.

«Die App funktioniert und wirkt - vor allem in dieser Phase der
Pandemie. Das sehen wir auch an den Download-Zahlen, die
kontinuierlich steigen», teilte ein Sprecher der Corona-Warn-App auf
Anfrage mit. Die App leiste einen wichtigen Beitrag beim Unterbrechen
von Infektionsketten, ohne Gesundheitsämter zu belasten.

Lobende Worte kommen auch vom Amtsarzt des Berliner Bezirks Neukölln,
Nicolai Savaskan, wo die Sieben-Tage-Inzidenz derzeit mit über 1500
bundesweit am höchsten ist. «Im Vergleich zum Beginn der Pandemie
gehen die Leute viel kompetenter mit den Warnungen um», findet er.
Man erlebe trotz der hohen Anwenderquote keinen Ansturm wegen der
App-Warnungen. Geht es um das Veranlassen eines Tests, seien die
Umstände des Risikokontakts ausschlaggebend.

Das Testen nach App-Warnung ist für Savaskan jedoch eher ein
Randaspekt: Einfacheres Nachverfolgen von Kontakten, Chancen für die
Gesundheitskommunikation auch nach der Pandemie - in diese Richtung
denkt der Amtsarzt. Für Bürger sieht er in der Pandemie auch einen
Nutzen auf psychologischer Ebene: Sie könnten selbst etwas bewirken.

Es sei vor allem das «Rätselraten» nach einer Warnung, das die App
kompliziert mache, findet die Infektiologin Jana Schroeder von der
Stiftung Mathias-Spital in Rheine: Wann genau mag ein Risikokontakt
wohl stattgefunden haben? Trug man währenddessen eine Maske? Könnte
die Warnung womöglich auch vom Nachbarn hinter der Zimmerwand kommen?
Wenn die Warnungen zwar inhaltlich störanfällig seien - etwa weil die
getragene Maske nicht berücksichtigt wird - dann nützten sie auch
weniger, meint Schroeder. Grundsätzlich funktionierten auch andere
Konzepte gegen Corona nur gut bei niedriger Inzidenz, etwa das
Pool-Testen an Schulen.

Nach einer kürzlich aufgeploppten Warnung hat Schroeder für sich den
Schluss gezogen, in öffentlichen Situationen immer eine dicht
sitzende FFP2-Maske zu tragen, wie sie berichtet. Künftige Warnungen
seien dann noch für sie von Interesse, «aber es hat ansonsten keine
Auswirkungen», weil sie sich mit der Maske gut geschützt sieht.

Diese Entscheidung zeigt auch: Gerade das Rätselraten könnte dazu
führen, dass das eigene Schutzverhalten eher überdacht wird. Auch das
gefühlte Risiko verändert sich womöglich. Vom Sprecher der App hieß

es, dass Auswertungen von 2021 nahelegten, dass eine Begegnung mit
einem nachweislich Infizierten zu einer Verhaltensänderung führe.

Der Frankfurter Epidemiologe Timo Ulrichs findet die App momentan
noch sinnvoll. Aber: «Wenn wir mehr und mehr in die Hochphase der
Omikron-Welle gehen, stößt diese App an Grenzen», so der Forscher im

Hessischen Rundfunk. Die Ausbreitung werde dann so dicht sein, dass
wenige Möglichkeiten blieben, Übertragungswege zu unterbrechen.

Der Warn-App kommt mittlerweile zugute, dass sie nicht allein wegen
ihrer Kernfunktion - dem Ermitteln risikoreicher Begegnungen - einen
festen Platz auf unzähligen Smartphones hat. Sie hat sich in den
vergangenen eineinhalb Jahren zu einem digitalen Schweizer
Taschenmesser der Pandemiebekämpfung entwickelt. Populär ist vor
allem die Funktion, die Impfzertifikate, Genesenennachweise oder
Testergebnisse speichern und bei Bedarf schnell vorzeigen zu können.
Sie übernimmt damit auch die Funktion der CovPass-App, die aber keine
Kontaktregistrierung umfasst.

Die jüngsten Versionen beider Apps können jetzt auch helfen, gültige

Impf- oder Genesenenzertifikate sowie einen digitalen Testnachweis in
einem Rutsch anzuzeigen. Das soll es erleichtern, einen
2G-plus-Nachweis zu erbringen. Bei der Boosterimpfung hat die neue
Funktion allerdings noch ein Problem. Die Programmierer der CWA und
CovPass-App arbeiten daran, es aus dem Weg zu räumen.