Boom bei falschen Impfpässen: über 12 000 Verfahren und «Dunkelfe ld» Von Frank Christiansen, dpa

Der illegale Handel mit gefälschten Impfausweisen floriert.
Bundesweit beobachten Polizeibehörden rege Nachfrage von Impfgegnern.
Inzwischen haben sie schon weit über 12 000 Ermittlungsverfahren
eingeleitet.

Düsseldorf (dpa) - Was haben Ex-Dschungelcamp-Kandidatin Christin
Okpara und Ex-Werder-Bremen-Trainer Markus Anfang gemeinsam? Beide
verloren ihren Job, weil sie gefälschte Impfausweise vorgelegt haben
sollen. Die Polizei geht solchen Verdachtsfällen bundesweit
inzwischen mit weit mehr als 12 000 Verfahren nach. Die Zahl sei vor
allem im vergangenen Dezember in die Höhe geschnellt, berichteten
Polizeibehörden der Bundesländer bei einer bundesweiten Umfrage der
Deutschen Presse-Agentur.

Spitzenreiter ist demnach Bayern mit mehr als 4000 Verfahren und 5500
sichergestellten Impfpässen und -zertifikaten, gefolgt von
Nordrhein-Westfalen mit mehr als 3500 Verfahren. «Wir müssen leider
von einem großen Dunkelfeld ausgehen», berichtete die Landesregierung
in München.

Ende November hatte der Gesetzgeber die Strafbarkeit noch einmal
klargestellt. Abschreckende Wirkung hatte dies anscheinend nicht: Die
3G-Pflicht in vielen Bereichen hat das Geschäft der Fälscher wohl
erst richtig angekurbelt.

Im Internet stießen Ermittler bei Social-Media-Kanälen und
Messengerdiensten wie Telegram auf einschlägige Angebote, die bei
Impfskeptikern und Impfgegnern auf zahlungswillige Kundschaft
treffen, obwohl es die Originale samt echtem Impfschutz umsonst gibt.

Nutzern falscher Impfausweise droht dabei im Extremfall noch mehr als
Jobverlust und eine Geld- oder Bewährungsstrafe wegen «Gebrauchs
unrichtiger Gesundheitszeugnisse»: Nach einem Corona-Ausbruch mit
drei Todesfällen in einem Pflegeheim im niedersächsischen Hildesheim
ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen eine fristlos entlassene
Mitarbeiterin der Einrichtung sogar wegen Totschlags. Die Frau soll
mit einem gefälschten Impfpass im Heim gearbeitet haben, obwohl bei
ihr zu Hause Familienmitglieder an Covid-19 erkrankt waren.

Anfang Dezember 2021 wurden bei einer Durchsuchung in Kassel
insgesamt 800 Blanko-Impfausweise, Impfstoffaufkleber, verschiedene
Stempel und weitere Fälscherutensilien sichergestellt. Einen Monat
zuvor wurden bei einer Wohnungsdurchsuchung in Frankfurt/Main
insgesamt 146 Blanko-Impfausweise gefunden.

Auch wurden Fälle von Ärzten bekannt, die ihren Patienten auf Wunsch
nur den Aufkleber der Impfdosen in den Impfpass klebten, ohne den
Impfstoff zu spritzen. Ihnen drohen inzwischen sogar bis zu fünf
Jahre Haft.

Im Oktober machten Ermittler mutmaßliche Betrüger in München
dingfest, die mithilfe der IT-Infrastruktur einer Apotheke gefälschte
Impfzertifikate hergestellt haben sollen - allein innerhalb eines
Monats mehr als 500 Stück.

Der gelbe Impfpass nach den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation
ist leicht zu manipulieren. Das Heftchen kann im Internet für wenige
Euro bestellt werden. Die Stempel von Arztpraxen können ebenfalls
leicht besorgt werden. Die Impfdosenaufkleber mit der Chargennummer
sind inzwischen immerhin mit einem Wasserzeichen versehen - vor
kurzem war das noch nicht der Fall.

Impfpass-Fälscher bieten bei Telegram inzwischen ein Komplett-Paket
an: Das ausgefüllte Impfbuch kostet inklusive QR-Code 200 bis 300
Euro. Die betrügerischen Impf-Unwilligen, die sich eine Fälschung im
Netz bestellen, haben aber keine Garantie, dass tatsächlich ein
falscher Impfpass geliefert wird.

In den Apotheken, die den QR-Code für den digitalen Impfnachweis
erstellen, kann inzwischen überprüft werden, ob Ort und Zeitpunkt der
Impfung zu der Chargennummer im Impfpass passen. Das ist vielen
Besitzern von Impfpässen offenbar noch nicht klar.

Im Ruhrgebiet türmte eine 30-Jährige am Montag, als ihr vorgelegter
Impfpass als gefälscht entlarvt wurde, aus der Apotheke - und ließ
dabei ihren Personalausweis liegen. Gleiches Spiel wenige Kilometer
entfernt in Unna: Der Mann mit falschem Impfpass verschwand eilig,
ließ aber Kopien seiner Krankenkassenkarte und seines
Personalausweises zurück.