Wachsender Ansturm - bringt Omikron die Testinfrastruktur ins Wanken? Von Josefine Kaukemüller und Sascha Meyer, dpa

Zahllose Abstriche aus Mund und Nase sorgen täglich für etwas
Gewissheit in der Corona-Krise. Wegen der rasant in die Höhe
schnellenden Infektionszahlen werden es mehr und mehr. Zwingt Omikron
Labore und Gesundheitsämter jetzt in die Knie?

Berlin (dpa) - Omikron verbreitet sich in Windeseile - und ein
Höchstwert bei Neuinfektionen und Sieben-Tage-Inzidenz jagt derzeit
den nächsten. Vor jedem gezählten Corona-Fall stehen ein positiver
PCR-Test und dessen Erfassung. Die schiere Testmenge treibt Labore
und Gesundheitsämter an ihre Kapazitätsgrenzen. Und immer lauter
stellt sich die Frage: Werden die PCR-Tests knapp?

«In Norddeutschland sind die Testlabore schon am Limit. Wir haben
hier inzwischen Positivraten von 30 bis 40 Prozent, ich habe so etwas
noch nie erlebt», sagt der Vorsitzende des Verbandes Deutscher
Laborärzte, Andreas Bobrowski, der Deutschen Presse-Agentur.
Mittlerweile seien mehr als 90 Prozent der detektierten
Corona-Infektionen auf die Omikron-Variante zurückzuführen, sagte der
Lübecker Mediziner. «Wir sehen, dass es jetzt auch in mittel- und
süddeutschen Laboren ordentlich anzieht.»

Vielerorts seien die Kapazitätsgrenzen der Labore bereits
überschritten, was bedeute, dass die angestrebte Dauer von 24 Stunden
vom Abstrich bis zum Testergebnis oft nicht mehr eingehalten werden
könne. Bobrowski ist sicher: «Da werden wir überall an unsere Grenzen

stoßen.» Bei der Wartezeit sehe er «ganz klar die 36 bis 48 Stunden
auf uns zukommen» - die Infektions- und damit Testzahlen dürften
schließlich vorerst weiter steigen.

Doch was, wenn obendrein nicht mehr genug PCR-Tests für alle zur
Verfügung stehen? Der Verband Akkreditierte Labore in der Medizin
(ALM) teilt am Dienstag mit, in der Vorwoche habe die Auslastung der
Labore im bundesweiten Durchschnitt bei 86 Prozent gelegen. Mit fast
zwei Millionen in einer Woche durchgeführten PCR-Tests sei ein
Allzeithoch erreicht worden. «Die Lage ist tatsächlich ernst, die
Labore sind an den Kapazitätsgrenzen und darüber hinaus», sagt der
ALM-Vorsitzende Michael Müller.

Dass PCR-Tests in manchen Pandemiephasen knapp werden können, ist
grundsätzlich in die Planungen einbezogen. Generell sieht die
Nationale Teststrategie bei nur noch begrenzter Kapazität eine
Priorisierung von PCR-Tests vor. Vorrang haben dann etwa Menschen mit
Covid-19-Symptomen und Kontaktpersonen von nachgewiesen Infizierten.
Doch auch der Schutz von Menschen mit besonders hohen Corona-Risiken
beispielsweise im Gesundheitswesen steht im Vordergrund.

Müller bekräftigt erneut seinen Appell, die Teststrategie schneller
und konsequenter anzuwenden, um eine Überlastung der Labore und der
Fachkräfte zu vermeiden. PCR-Tests müssten da, wo es sinnvoll und
möglich sei, zum Beispiel durch Antigentests ersetzt werden. Er
verwies auf hochwertige laborbasierte Antigentests, die den Bedarf an
PCR-Tests sinnvoll reduzieren könnten.

Auch Labormediziner Bobrowski verweist auf die vorgesehene
Priorisierung der Testungen und Auswertungen. Er gibt zu bedenken,
dass durch die nach und nach in Kraft tretenden neuen Bestimmungen
zum früheren Freitesten aus der Corona-Quarantäne oder -Isolierung
eine zusätzliche Testflut zu erwarten sei. Bei diesen Tests müsse
ebenfalls eine entsprechende Priorisierung greifen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte dazu gesagt,
für diese Freitestungen aus der Quarantäne habe er veranlasst, dass
es für Gesundheitspersonal einen Vorrang bei der Labor-Auswertung
gebe. Um PCR-Tests zu «sparen», sind sie auch nur für Beschäftigte

in Kliniken, Pflegeheimen und Einrichtungen für Behinderte beim
Freitesten verpflichtend. Ansonsten sollen auch Schnelltests
verwendet werden können.

Doch nicht nur die Labore ächzen unter dem Testansturm. Für die
deutschen Gesundheitsämter bedeuten die Rekordinzidenzen eine neue
Dimension der Anstrengung bei der Erfassung und
Kontaktnachverfolgung. Von einigen Seiten werden erneut Forderungen
nach einer kurzfristigen Aufstockung des Personals laut, um die sich
immer mehr verästelnden Infektionsketten im Blick behalten zu können.

«Die Arbeitsbelastung im Meldesystem ist extrem hoch», stellt Helmut
Dedy, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, angesichts der

Höchstzahl an positiven PCR-Tests seit Pandemiebeginn klar.
Schließlich müsse bei jeder Meldung eines Labors über einen positiven

Test vom Gesundheitsamt vor Weitergabe an Land und Bund geprüft
werden, ob es sich um einen neuen Fall handele oder beispielsweise
nur eine versuchte Freitestung.

Zwar seien die Gesundheitsämter leistungsfähiger als vor der
Pandemie, gleichzeitig führten die Infektionszahlen aber auch zu
Höchstbelastungen in der Kontaktnachverfolgung. Besonderes Augenmerk
werde auf Pflegeheime und Behinderteneinrichtungen gelegt. Die Flut
an Neuinfektionen könne bei den Ämtern inzwischen bis an die Grenze
der Leistungsfähigkeit führen, mahnt Dedy. «Dann müssen die
Gesundheitsämter priorisieren.» Mit Blick auf eine mögliche
Einschränkung der Kontaktnachverfolgung halte er es am sinnvollsten,
sich vorrangig auf enge Familienangehörige oder andere enge
Kontaktpersonen zu konzentrieren.

Dedy fordert etwa klare Leitlinien auch für eine Priorisierung der
Kontaktnachverfolgung und appelliert an die Selbstverantwortung der
Menschen beim Einhalten der Quarantäneregeln. «Sobald man einen
positiven Test hat, muss man zuhause bleiben.» Dafür brauche es meist
nicht erst den Bescheid eines Gesundheitsamtes.