Mit Sorgen um French-Open-Start: Djokovic zurück in Belgrad Von Gregor Mayer, Kristina Puck und Robert Semmler, dpa

Novak Djokovic ist zurück in seiner Heimat Serbien. Doch die
Australian Open könnten nicht das einzige Turnier bleiben, das er
wegen seiner fehlenden Impfung gegen das Coronavirus verpasst hat.
Aus Frankreich kommen für ihn schlechte Neuigkeiten.

Belgrad (dpa) - Novak Djokovic war noch auf dem Weg nach Belgrad, als
für den Tennis-Weltranglisten-Ersten nach der Abschiebung aus
Australien schlechte Kunde aus Frankreich kam. Auch eine
Titelverteidigung bei den French Open könnte sich für den 34-jährigen

Serben zerschlagen, falls er sich nicht gegen das Coronavirus impfen
lässt. Der Empfang in Belgrad fiel nach der Landung am Montagmittag
verhalten aus - gemessen an der Unterstützung von höchster Stelle
während des Streits um das verweigerte Visum in Australien. Eine
Handvoll Fans, aber rund 30 Kamera-Teams erwarteten den von Melbourne
über Dubai in die serbische Hauptstadt geflogenen Djokovic, der den
Flughafen kommentarlos durch einen Nebeneingang verließ.

Der Gewinner von 20 Grand-Slam-Turnieren dürfte schnell erfahren
haben, was Frankreichs Sportministerin Roxana Maracineanu am
Sonntagabend bei Twitter mitgeteilt hatte. In Frankreich dürften auch
in- und ausländische Sportler künftig nur antreten, wenn sie geimpft
oder genesen sind. Das zweite Grand-Slam-Turnier der Saison beginnt
am 16. Mai in Paris.

In Melbourne laufen nach dem fast zweiwöchigen juristischen Tauziehen
um das Visum des am Sonntagabend unfreiwillig abgereisten
Titelverteidigers nun die Australian Open. Der Spanier Rafael Nadal,
der mit dem 21. Grand-Slam-Titel alleiniger Rekordsieger bei den vier
wichtigsten Turnieren vor Djokovic und dem Schweizer Roger Federer
werden kann, startete mit einem problemlosen Sieg. Natürlich gebe es
mehrere Verantwortliche in der schrecklichen Situation der
vergangenen zwei Wochen, sagte der 35-Jährige und fügte mit Blick auf
Djokovic an: «Aber natürlich ist er auch einer der Verantwortlichen.»


Miomir Kecmanovic - eigentlich Erstrundengegner von Djokovic -
widmete seinen Sieg über den nachgerückten Italiener Salvatore Caruso
seinem prominenteren Landsmann. Der serbische Profi Dusan Lajovic
zeigte nach seinem Sieg eine serbische Fahne mit einem Djokovic-Bild
und den Worten: «Mögt es oder nicht, der Größte aller Zeiten.»

Australiens Premierminister Scott Morrison verdeutlichte am Montag,
dass die Einreisesperre nicht zwingend für drei Jahre gelten müsse.
Damit werde man sich zu gegebener Zeit befassen. Das
Bundesgericht Australiens hatte am Sonntag den Einspruch von Djokovic
gegen die erneute Annullierung seines Visums abgelehnt.

Die Politik in Serbien ging mit der Ankunft eher verhalten um.
Spitzenpolitiker posierten am Montag zunächst nicht mit ihm. Goran
Vezic, der Vize-Bürgermeister von Belgrad, kündigte zumindest an,
dass Djokovic den Preis der Stadt Belgrad erhalten werde.

Ebenfalls aufs Konto der hauptstädtischen Verwaltung ging die
Illuminierung eines weit sichtbaren Büroturms am Save-Ufer. Grundiert
von den serbischen Nationalfarben rot-blau-weiß lief der
Schriftzug «Nole, du bist der Stolz Serbiens» über das Gebäude. N
ole
ist eine Koseform des Vornamens Novak.

Die serbische Regierung unter dem mächtigen Präsidenten Aleksandar
Vucic pflegt einen eher opportunistischen Zugang zum Tennis-Idol, das
seinen Wohnsitz eigentlich in Monaco hat. So lange Djokovic im
spartanischen Abschiebehotel in Melbourne untergebracht und der
angeblichen Willkür australischer Behörden ausgesetzt war, war er der
rechts-populistischen Führung in Belgrad von Nutzen.

Denn seit langem gab es keine Angelegenheit mit weltweiter Beachtung,
die sich so gut dafür geeignet hätte, die ewige
Verschwörungserzählung von den missverstandenen und zu Unrecht
bestraften Serben neu aufzutischen. Vucic, andere Regierungspolitiker
und Djokovics Familie in Belgrad wurden nicht müde, den Australiern
vorzuwerfen, dass sie den Tennisstar quälen und schikanieren würden,
weil er ein Serbe ist. Und weil Serbien stets gegen das global Böse
und für die Unterdrückten dieser Welt kämpfe.

Praktisch die gleiche Verschwörungserzählung unterfütterte die Kriege

im ehemaligen Jugoslawien in den 1990er Jahren. Sie waren von Serbien
ausgegangen, weil der damalige Machthaber Slobodan Milosevic beim
Zerfall Jugoslawiens weite Teile Kroatiens und Bosnien-Herzegowinas
einem neuen «Groß-Serbien» einverleiben wollte. In Serbien selbst war

man aber nur das Opfer.

Vucic war als Jungpolitiker Informationsminister der Milosevic-
Regierung und berüchtigt für die Unterdrückung kritischer Medien.
Heute gibt er sich als pragmatisch gewandelter
National-Konservativer. Kritiker werfen ihm vor, unter veränderten
Bedingungen weiterhin die Ziele der Milosevic-Ära zu verfolgen. 

Djokovic ist ihm im eigenen Land durchaus nicht von Nutzen. Aus
staatspolitischer Räson und unter dem Druck der serbischen
Gesundheitsexperten verfolgt seine Regierung eine klare Linie
zugunsten der Impfung gegen Corona. Trotzdem sind nur 47 Prozent der
Bevölkerung vollständig geimpft. Insofern Djokovic von Impfgegnern
als Ikone betrachtet wird, hält sich die Begeisterung der Belgrader
Führung für ihn in Grenzen.