Kriegsverbrecher-Prozess gegen syrischen Arzt beginnt in Frankfurt Von Eva Krafczyk, dpa

Erst vor wenigen Wochen verurteilte die Staatsschutzkammer des
Oberlandesgerichts Frankfurt einen Iraker wegen Völkermords, nun
befassen sich die Richter erneut mit Kriegsverbrechen. Angeklagt ist
ein syrischer Arzt.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Die Aufgabe von Ärzten ist klar: Sie
helfen und heilen Menschen. Der syrische Mediziner soll dagegen sein
Wissen dazu benutzt haben, Regimegegnern Schmerzen zuzufügen. Ab
diesem Mittwoch (19. Januar) muss er sich vor dem Staatsschutzsenat
des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt verantworten. Ihm werden
Verbrechen gegen die Menschlichkeit vorgeworfen.

Die Bundesanwaltschaft hält M. vor, in den Jahren 2011 und 2012 in
einem Armeekrankenhaus und einem Gefängnis des Militärgeheimdienstes
im syrischen Homs Gefangene gefoltert und ihnen schwere körperliche
und seelische Schäden zugefügt zu haben. Die Opfer sollen der
Opposition gegen Machthaber Baschar al-Assad zugerechnet worden sein.

In einem Fall soll M. laut Anklage einen Gefangenen mit einer
Injektion vorsätzlich getötet haben. Ihm sei es darum gegangen,
«seine Macht zu demonstrieren und zugleich das Aufbegehren eines
Teils der syrischen Bevölkerung zu unterdrücken», erläuterte das OL
G,
als es im November die Eröffnung der Hauptverhandlung ankündigte. In
zehn Fällen hatte der Senat die Anklageschrift zunächst nicht
zugelassen, weil die Tatvorwürfe nicht hinreichend umgrenzt und nicht
konkret genug gefasst seien. Die Bundesanwaltschaft legte dagegen
erfolgreich Beschwerde beim Bundesgerichtshof ein.

Die Bundesanwaltschaft hatte M., als sie Anklage gegen den Mediziner
erhob, unter anderem vorgeworfen, er habe Gefangene getreten,
geschlagen und mit einem Schlagstock verprügelt.

Seit seiner Einreise in Deutschland Mitte 2015 praktizierte M. nach
Angaben der Anklage als Arzt. Er wurde im Juni 2020 festgenommen und
befindet sich seitdem in Untersuchungshaft.

Bisher sind 14 Verhandlungstage für den Prozess terminiert. Bei
seinem Ausblick auf das Gerichtsjahr sagte OLG-Präsident Roman
Poseck, er rechne «mit einem außerordentlich aufwändigen Verfahren»
.
Angesichts der zu erwartenden Dauer sind acht Richter des
Oberlandesgerichts beteiligt - zusätzlich zu den fünf Richtern des
Staatsschutzsenates noch drei Ergänzungsrichter, um «bei personellen
Ausfällen auf der Richterbank gewappnet zu sein», so Poseck.

Am vergangenen Donnerstag war der nach Angaben der Bundesanwaltschaft
weltweit erste Strafprozess um Staatsfolter in Syrien vor dem
Oberlandesgericht Koblenz zu Ende gegangen. Der Syrer Anwar R. wurde
wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu lebenslanger Haft
verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Für die Menschenrechtsorganisation Amnesty International ist der
Frankfurter Prozess ist ein wichtiger Schritt in Richtung
Aufarbeitung der Massenverbrechen in Syrien und Gerechtigkeit für die
syrische Bevölkerung. Er werfe erstmals einen detaillierten Blick auf
die Funktion der Militärkrankenhäuser im syrischen Unrechtsapparat,
hieß es. Insgesamt sende der Prozess ein deutliches Zeichen gegen
Straflosigkeit nach Syrien. Er zeige, dass nicht nur Soldaten und
Mitarbeiter des Geheimdienstes, sondern jede Person nach dem
Weltrechtsprinzip zur Rechenschaft gezogen werden könne.

Derzeit haben sich Medienvertreter von 39 Medienunternehmen aus dem
In- und Ausland akkreditiert. Angesichts der andauernden
Coronamaßnahmen und Abstandsregegeln stehen allerdings nur 19 Plätze
auf der Pressetribüne des Verhandlungssaales zur Verfügung, außerdem

41 Plätze in einem anderen Raum, in den die Verhandlung per
Lautsprecher übertragen wird. Alle Prozessbesucher und
Medienvertreter müssen im Gerichtsgebäude FFP2-Masken tragen.