Eine Impfung mit Folgen: Halles OB lässt nicht locker

Vor genau einem Jahr ließ sich Halles Oberbürgermeister Bernd Wiegand
vorzeitig impfen. Es folgten seine Suspendierung, Ermittlungen der
Staatsanwaltschaft und zahlreiche juristische Niederlagen. Doch das
Stadtoberhaupt drängt es weiter zurück auf seinen Platz im Rathaus.

Halle (dpa/sa) - Ein Jahr nach Beginn der Impfaffäre um Halles
Oberbürgermeister Bernd Wiegand (parteilos) haben mehrere Stadträte
ihren Wunsch nach dessen Rückzug von seinem Posten bekräftigt. Sie
«würde sich wünschen, dass der OB zurücktritt», sagte die Vorsitz
ende
Stadträtin Katja Müller (Linke). Angesichts des bisherigen Verhaltens
Wiegands in der Impfaffäre halte sie das aber für unwahrscheinlich.

Ohne das suspendierte Stadtoberhaupt habe sich das Klima spürbar
verbessert, ist von Teilen des Stadtrats zu hören. Die Zusammenarbeit
mit der Stadtverwaltung habe sich deutlich verbessert, sagte unter
anderem Yana Mark, Vorsitzende der FDP-Fraktion im Stadtrat. «Es ist
jetzt ein Mit- statt Gegeneinander und man fühlt sich als Stadtrat
ernst genommen und einbezogen in die Entscheidungen.» Es sei der
Wille erkennbar, etwas zum Wohle der Stadt zu bewegen.

Die Stadtratsfraktion Hauptsache Halle & Freie Wähler, die während
der Aufarbeitung der Affäre teilweise Partei für Wiegand ergriffen
hatte, wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Fall äußern. Wiegand
selbst stellte derweil Versäumnisse in seiner Abwesenheit fest: «Alle
von mir eingeleiteten Projekte wurden fortgeführt. Neue
richtungsweisende Ideen, wirtschaftliche Neuansiedlungen von
Großunternehmen und die persönliche Begleitung von
Bestandsunternehmen vor Ort durch den Oberbürgermeister blieben aus.»

Trotz der juristischen Niederlagen, hofft der suspendierte OB
weiterhin auf einen - aus seiner Sicht - guten Ausgang des Falles.
«Von Seiten der Behörden ist bis heute noch nicht einmal geprüft
worden, ob ich gegen die im Januar 2021 geltende
Coronavirus-Impfverordnung verstoßen habe», sagte Wiegand. Dies sei
ein Zeichen von Willkür. Er habe nicht gegen geltendes Recht
verstoßen, betonte er.

Vor einem Jahr, am 17. Januar, hatte sich das Stadtoberhaupt entgegen
der damals gültigen Impfreihenfolge vorzeitig gegen das Coronavirus
impfen lassen. Er behauptet bis heute, dass die Spritze ansonsten
weggeworfen worden wäre. Vor der Impfung habe er sich mehrfach
vergewissert, dass kein Mitarbeiter des Krankenhauses, in dem er
geimpft wurde, zu dem Zeitpunkt für eine spontane Impfung zur
Verfügung stand.

Während der Aufarbeitung seiner vorzeitigen Impfung geriet Wiegand
zusehends in Erklärungsnot, verwickelte sich in Widersprüche und
wurde schließlich vom Stadtrat suspendiert. Es folgte ein
Disziplinarverfahren des Landesverwaltungsamtes gegen ihn, das bis
heute läuft. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen den OB
wegen des Verdachts der veruntreuenden Unterschlagung von Impfstoff.
Demnach könnte Wiegand ein System im Stadtrat und in der
Stadtverwaltung geschaffen haben, durch das andere Menschen, die noch
nicht dazu berechtigt waren, geimpft wurden.

Wiegand hatte sich anschließend an mehrere Instanzen gewandt, um
seine Suspendierung aufzuheben - bisher erfolglos. Zuletzt scheiterte
er mit einer Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht. Das
Disziplinarverfahren am Landesverwaltungsamt, wurde im Laufe des
vergangenen Jahres sogar um weitere Vorwürfe ausgeweitet.