Party zu Ende für Johnson? Neue Vorwürfe und Rücktrittsforderungen

Während der britische Premier einen Neustart wagen will, nimmt der
Druck von allen Seiten zu. Ein Bericht über regelmäßige Treffen in
der Downing Street trotz Corona-Beschränkungen bringt ihn weiter in
Bredouille. Nicht nur die Opposition feuert gegen ihn.

London (dpa) - Neue Vorwürfe wegen des Bruchs von Corona-Regeln in
seinem Regierungssitz haben den ohnehin schon immensen Druck auf den
britischen Premierminister Boris Johnson noch einmal erhöht. In der
Downing Street hat es einem Medienbericht zufolge während der
Pandemie nicht nur vereinzelte, sondern regelmäßige Zusammenkünfte
gegeben, bei denen Alkohol geflossen sein soll. Das schrieb der in
der «Partygate»-Affäre in der Regel gut informierte «Mirror».
Rücktrittsforderungen gibt es aus Reihen der Opposition wie auch aus
seiner Tory-Partei.

Johnsons Mitarbeiter hätten sich jeden Freitag zu «Wine-time Fridays»

getroffen, berichtete der «Mirror» am Samstag. Der Premier habe sie
ermutigt, «Dampf abzulassen» - auch wenn Treffen in Innenräumen gem
äß
den Lockdown-Regeln streng verboten gewesen waren. Johnson habe
mehrmals selbst bei diesen Zusammenkünften vorbeigeschaut. Die
Mitarbeiter hätten für die regelmäßigen Treffen eigens einen
Bürokühlschrank angeschafft, um ihre Flaschen Weißwein, Prosecco und

Bier kühl zu halten.

Freitägliche Treffen zum Wochenausklang sind nach «Mirror»-Angaben
seit langem eine Tradition in der Downing Street gewesen, auch unter
früheren Regierungen. Die Zusammenkünfte wurden demnach aber auch
fortgesetzt, nachdem Corona-Beschränkungen erlassen worden und
Zusammenkünfte unterschiedlicher Haushalte in Innenräumen untersagt
waren.

Johnson steht in der «Partygate»-Affäre seit längerem massiv unter

Druck. Er selbst will sich politisch mit einem umfassenden Neustart
aus der Bredouille befreien. Zu den Lockdown-Partys im Regierungssitz
laufen derzeit interne Untersuchungen, deren Ergebnisse der Premier
abwarten will.

Währenddessen sieht sich der Regierungschef mit Rücktrittsforderungen
aus der Opposition und auch aus seiner eigenen konservativen
Tory-Partei konfrontiert. Der Tory-Abgeordnete Tobias Ellwood sagte
der BBC am Samstag, Johnson müsse «führen oder zur Seite treten».

Der Hinterbänkler und frühere Johnson-Verbündete Andrew Bridgen
sagte, für ihn habe der Premier seine «moralische Autorität verloren,

das Land zu führen». Bridgen zählt zu einigen Tory-Abgeordneten, die

Johnson bereits schriftlich das Misstrauen ausgesprochen haben. Auf
die Wein-Partys in der Downing Street angesprochen entgegnete er im
BBC-Frühstücksfernsehen, es spiele keine Rolle, ob Johnson vor Ort
gewesen sei oder nicht. «Letztlich ist er verantwortlich für das, was
in der Regierung vor sich geht», sagte er. «Was wir sehen, ist eine
Kultur, in der es eine Regel für sie gibt und der Rest von uns tut,
was uns gesagt wird. Das ist einfach nicht akzeptabel.»

Diese Worte hallten auch in einer Rede von Oppositionschef Keir
Starmer nach. Es sei nun im «nationalen Interesse», dass Johnson
abtrete, sagte der Labour-Vorsitzende am Samstag auf einer Konferenz
in London. Die Tories rief er auf, das Notwendige zu tun - und
Johnson los zu werden.

Zuletzt wurde berichtet, dass es am Vorabend der Beerdigung von
Queen-Gemahl Prinz Philip im April 2021 Feiern im Regierungssitz
gegeben habe. Damals galten strenge Kontakt- und Abstandsregeln in
Großbritannien. Queen Elizabeth II. musste deshalb ganz alleine in
der Kapelle ihrer Residenz Windsor sitzen, als ihr Mann, mit dem sie
73 Jahre lang verheiratet war, bestattet wurde. Die Downing Street
entschuldigte sich dafür. «Es ist zutiefst bedauerlich, dass dies zur
Zeit nationaler Trauer stattgefunden hat», erklärte ein
Johnson-Sprecher.