Lauterbach setzt auf Verlangsamen der Omikron-Welle Von Sascha Meyer, Jörg Ratzsch, Josefine Kaukemüller und Andreas Hoenig, dpa

Die Corona-Variante Omikron dominiert jetzt auch in Deutschland - und
läutet aus Expertensicht eine «neue Phase» der Pandemie ein. Die
Krisenstrategie lautet, die Ausbreitung möglichst stark zu verzögern.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach erwartet
eine weiter steigende Omikron-Welle - sieht aber vorerst keinen Grund
für neue schärfere Alltagsauflagen im Kampf gegen das Coronavirus.
«Ich glaube, dass wir jetzt in ein schwieriges Fahrwasser kommen»,
sagte der SPD-Politiker am Freitag in Berlin. Kliniken und Labore
würden an ihre Belastungsgrenzen kommen. Aktuell reiche das Paket mit
Gegenmaßnahmen aber aus. Die Strategie sei, die Infektionswelle zu
verlangsamen und zu strecken und in dieser Zeit so viele Menschen wie
möglich mit Auffrischimpfungen zu boostern. Der Bundesrat billigte
den Rechtsrahmen für neue Quarantäneregeln.

Die Zahl der an einem Tag erfassten Neuinfektionen überschritt jetzt
erstmals die Schwelle von 90 000. Die Gesundheitsämter meldeten
92 223 Fälle in 24 Stunden, wie das Robert Koch-Institut (RKI)
bekannt gab. Auch die Sieben-Tage-Inzidenz erreichte einen
Höchststand von 470,6 neuen Fällen pro 100 000 Einwohner in sieben
Tagen.

Lauterbach sagte, er rechne mit noch stärker steigenden Zahlen. Das
Ziel sei jetzt, «aus der sonst zu erwartenden steilen Wand der
Infektionszahlen möglichst einen Hügel zu machen oder dass die Wand
nicht so hoch ist». Es sei aber ein Sonderproblem Deutschlands, dass
es in der gefährdeten Gruppe älterer Menschen viele Ungeimpfte gebe.

Aus Sicht von RKI-Präsident Lothar Wieler tritt Deutschland in eine
«neue Phase der Pandemie» ein. «Die reinen Fallzahlen werden weniger

entscheidend sein. Wichtiger ist, wie viele Menschen schwer an
Covid-19 erkranken und wie stark das Gesundheitssystem dann belastet
sein wird.» Der Virologe Christian Drosten sagte, Omikron sei nach
derzeitigem Kenntnisstand zwar milder im Krankheitsverlauf. Weil es
aber zu viele Fälle seien, werde dieser Gewinn «wieder ausgelöscht»
.
Er stellte in Aussicht, dass gegen Omikron wahrscheinlich noch einmal
bei der Impfung nachgesteuert werden müsse. Drosten bekräftigte
seinen Appell an Ungeimpfte, sich dringend immunisieren zu lassen.

Lauterbach sagte, die schon geltenden Beschränkungen zeigten Wirkung
- etwa mit einer längeren Verdoppelungszeit der Infektionszahlen in
Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern. Hinzu kämen nun noch
verschärfte Zugangsregeln auch für Geimpfte und Genesene mit
zusätzlichen Tests (2G plus) in der Gastronomie. Aus seiner Sicht sei
zur jetzigen Zeit «das richtige Maßnahmenpaket am Platz».

Sollten die Fallzahlen aber noch deutlich steigen und eine
Überlastung der medizinischen Versorgung zu erwarten sein, müsse auch
mit anderen Maßnahmen gegengesteuert werden. «An dem Punkt sind wir
nicht», sagte Lauterbach. Nötig seien aber Kontrollen und
flächendeckende Umsetzung bestehender Beschränkungen.

Der Minister erläuterte, dass die Kapazitäten für PCR-Labortests sich

der «Volllast» näherten. Mangel gebe es derzeit nicht. Mit Blick auf

Freitestungen aus der Quarantäne habe er nun veranlasst, dass es für
Gesundheitspersonal einen Vorrang bei der PCR-Test-Auswertung in den
Laboren gebe.

Noch schlägt sich die Omikron-Welle nicht auf den Intensivstationen
nieder. Die Zahl der dort behandelten Corona-Infizierten sank
erstmals seit Mitte November wieder knapp unter die 3000er-Marke, wie
aus Daten des Divi-Intensivregisters hervorgeht (Stand: Donnerstag).
Seit dem Höhepunkt der vierten Welle im Dezember mit rund 5000
Corona-Intensivpatienten gleichzeitig sinkt die Zahl stetig. Auch bei
den gemeldeten Erstaufnahmen ist der Trend rückläufig. Experten sehen
aber noch keinen Grund zur Entwarnung für die nächsten Wochen.

Für die von Bund und Ländern vereinbarten neuen Quarantäneregeln ist

der Weg frei. Der Bundesrat billigte am Freitag einstimmig eine
Verordnung, die dafür einen rechtlichen Rahmen schafft. Die neuen
Regeln sehen vor, dass sich dreifach geimpfte Kontaktpersonen von
Infizierten nicht mehr in Quarantäne begeben müssen. Das gilt auch
für frisch doppelt Geimpfte oder frisch Genesene. Außerdem werden
kürzere Quarantänezeiten ermöglicht, um bei stark steigenden
Infektionszahlen wichtige Versorgungsbereiche am Laufe zu halten.

Corona-Impfungen mit dem Präparat des US-Herstellers Novavax sollen
voraussichtlich Ende Februar starten können. Die erste Lieferung von
1,75 Millionen Dosen soll ab dem 21. Februar zur Verfügung stehen,
wie Lauterbach mit Verweis auf Firmenangaben sagte. Genaue Termine
für weitere 3,25 Millionen Dosen, die gekauft wurden, stünden noch
nicht fest. Er hoffe auf Lieferung noch im Februar. Lauterbach
erläuterte, das Präparat, das «quasi ein Totimpfstoff» sei, solle
denjenigen besonders zur Verfügung stehen, die diese Art der Impfung
bevorzugten. Er selbst könne die Wertigkeit für Omikron nicht gut
einschätzen. Er gehe aber davon aus, dass der Impfstoff gut wirke.