Queen trauert, Downing Street feiert: Bericht sorgt für Empörung Von Benedikt von Imhoff, dpa

Boris Johnson steht wegen mehrerer mutmaßlicher Lockdown-Partys in
seinem Amtssitz bereits massiv in der Kritik. Der neueste Bericht
dürfte die Lage für den britischen Premier noch verschärfen. Denn nun

wird die trauernde Queen in die Affäre hineingezogen.

London (dpa) - Am Vorabend der Beisetzung von Queen-Gemahl Prinz
Philip im April sollen Dutzende Mitarbeiter des britischen
Premierministers Boris Johnson in dessen Amtssitz zwei
Lockdown-Partys gefeiert haben. Wie die Zeitung «Daily Telegraph» in
der Nacht zum Freitag berichtete, nahmen insgesamt etwa 30 Menschen
daran teil. Es sei Alkohol getrunken und getanzt worden. Damals
galten strenge Kontakt- und Abstandsregeln wegen der Corona-Pandemie.
Die Queen musste wegen der Vorschriften am nächsten Tag ganz alleine
in der Kapelle ihrer Residenz Windsor sitzen, als dort ihr Ehemann,
mit dem sie 73 Jahre verheiratet war, bestattet wurde.

Das Foto der einsamen Queen war einer der prägenden Eindrucke der
Pandemie und berührte die Herzen von Millionen Briten. Umso größer
ist nun die Empörung. «Während sie trauerte, feierte No. 10», sagte

der Chef der Liberaldemokraten, Ed Davey. Auch wenn Johnson selbst
nicht an den Partys am 16. April 2021 teilnahm und auch nicht in der
Downing Street anwesend war, wird er für das Verhalten seiner
Mitarbeiter verantwortlich gemacht. «Ich habe keine Worte für die
Kultur und das Verhalten in No. 10», sagte die Vizechefin der größten

Oppositionspartei Labour, Angela Rayner. Der Fisch stinke vom Kopf.

Es ist die erste Lockdown-Party im Regierungssitz aus dem Jahr 2021,
die bekannt wird. Bisher waren mehrere Feiern im Mai und Dezember
2020 publik geworden. Für großen Ärger hatte ein Bericht vom Montag
gesorgt. Demnach hatte Johnsons Büroleiter am 20. Mai 2020 in einer
E-Mail an etwa 100 Mitarbeiter zu einer Gartenparty geladen. Er
betonte dabei: «Bringt Euren eigenen Alkohol mit.»

Johnson hatte sich am Mittwoch im Parlament für den Eindruck
entschuldigt, dass diejenigen, die die Corona-Regeln machen, sich
nicht daran halten. Er räumte ein, dass er am 20. Mai 2020 für 25
Minuten im Garten anwesend war. Seinem Eindruck zufolge habe es sich
um ein Arbeitstreffen gehandelt. Rückblickend habe er damit falsch
gelegen, sagte Johnson.

Er forderte aber, das Ergebnis einer laufenden internen Untersuchung
abzuwarten, bevor Konsequenzen gezogen werden. Die Opposition fordert
bereits jetzt seinen Rücktritt. Auch einige Abgeordnete von Johnsons
Konservativer Partei haben den Premier zum Rückzug aufgefordert.

Wegen der zeitlichen Nähe zur Beisetzung des im Volk äußerst
beliebten Herzogs von Edinburgh gelten die nun bekannt gewordenen
Feierlichkeiten als besonders gefährlich für Johnson. Downing Street
dementierte die Partys nicht, wie auch die BBC berichtete. Johnsons
ehemaliger Kommunikationsdirektor James Slack habe eine Abschiedsrede
gehalten, um sich bei seinen Mitarbeitern zu bedanken, sagte eine
Sprecherin. Auf weitere Details ging sie nicht ein. Laut «Telegraph»
ging es bei der zweiten Verabschiedung um einen persönlichen
Fotografen des Premiers. Mitte April 2021 waren strikte
Abstandsregeln in Kraft, Mitglieder verschiedener Haushalte durften
sich nicht in geschlossenen Räumen treffen.

Wie der «Telegraph» berichtete, war eine Beraterin Johnsons zeitweise
für die Musik verantwortlich. In einem Koffer seien mehrere Flaschen
Wein aus einem nahen Supermarkt als Nachschub geholt worden. Ein
Teilnehmer habe im Garten von Johnsons Amtssitz die Schaukel von
dessen Sohn genutzt und dabei kaputt gemacht. Die beiden anfangs
separaten Veranstaltungen hätten sich gegen Mitternacht vermischt.

Kommentatoren werteten den Artikel im «Telegraph», der eigentlich als
Hausblatt Johnsons gilt und für den der 57-Jährige früher selbst
tätig war, als Teil des Machtkampfs um die Zukunft des Premiers.
Johnson versucht seit Tagen mit aller Macht, Unterstützer um sich zu
scharen. Sprechen sich 15 Prozent der 360 konservativen Abgeordneten
gegen den Premier aus, kommt es in der Fraktion zur
Misstrauensabstimmung.