Razzia bei 100 Patienten wegen mutmaßlich falscher Impfzertifikate Von Ulf Vogler, dpa

Die Ermittlungen wegen vermutlich falsch ausgestellter
Impfbescheinigungen in Schwaben weiten sich aus. Außer dem
beschuldigten Hausarzt sind nun auch etwa 100 Patienten aus mehreren
Bundesländern im Visier der Kripo.

Donauwörth (dpa) - Nach den Ermittlungen gegen einen schwäbischen
Hausarzt wegen mutmaßlich falscher Corona-Impfungen hat es am
Donnerstag eine großangelegte Razzia bei rund 100 Patienten in vier
Bundesländern gegeben. Die Kriminalpolizei geht davon aus, dass die
Betroffenen in die Praxis im Landkreis Donau-Ries gefahren sind, um
ohne eine Impfung von dem Arzt ein Impfzertifikat zu erhalten.

Durchsuchungen gab es seit den frühen Morgenstunden außer in Bayern
auch in Baden-Württemberg, Hessen und Nordrhein-Westfalen. Die
Aktionen haben nach Angaben der Ermittler außerhalb Bayerns im
Bereich der Polizeipräsidien Ravensburg, Aalen, Ulm, Mannheim,
Stuttgart, Heilbronn, Offenburg, Frankfurt/Main, Wiesbaden, Darmstadt
und Essen stattgefunden.

«Gegen diese Personen wird wegen der Beihilfe beziehungsweise
Anstiftung zum Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse und deren
Verwendung ermittelt», teilte die Polizei mit. Außerdem stünden
Verstöße gegen das Infektionsschutzgesetz im Raum.

Die Ermittler stellten bei der Aktion unter anderem rund 80
Impfausweise und etwa 70 Smartphones sicher. Zudem wurde bei etwa 50
Beschuldigten Blut abgenommen, um den Impfstatus zu klären, wie die
Polizei nach einer ersten Auswertung der Aktion berichtete. Das
Amtsgericht Augsburg hatte die Durchsuchungsbeschlüsse genehmigt. Die
Ermittler waren mit mehr als 200 Beamten aus mehreren Bundesländern
im Einsatz - die Bereitschaftspolizei unterstützte bei der Razzia.

«Nahezu alle Personen verhielten sich durchweg kooperativ»,
berichteten die Ermittler. Es sei besonders darum gegangen, den
Beschuldigten die Maßnahmen und Hintergründe zu erläutern. Dazu seien

auch Kommunikationsbeamte im Einsatz gewesen. «Es kam zu keinen
nennenswerten Fällen, bei denen die Beschuldigten gegen die Maßnahmen
der Beamten agierten.»

Bei den Durchsuchungen kam es auch zu Zufallsfunden. Es seien
beispielsweise 600 Gramm Marihuana, geringe Mengen an Amphetamin und
Kokain sowie einzelne Waffen sichergestellt worden. «Zudem entdeckten
die Einsatzkräfte fünf Stempel von Arztpraxen und Impfzentren,
mehrere Blanko-Impfausweise und Blanko-Genesenen-Zertifikate.»

Bereits im Herbst 2021 war bekannt geworden, dass der Mediziner
mehreren hundert Männern und Frauen falsche Impfbescheinigungen
ausgestellt haben soll. Bei manchen Patienten soll der Mann eine
Scheinimpfung vorgenommen haben und die Betroffenen darüber getäuscht
haben, dass sie tatsächlich kein Vakzin erhalten haben. Gegen diesen
Personenkreis richtete sich die Aktion am Donnerstag nicht.

Das Gesundheitsamt hatte den Patienten deswegen anschließend
angeboten, Antikörper-Tests machen zu lassen. Gegen den Arzt wurde
vorläufig ein Berufsverbot verhängt. Das Landratsamt in Donauwörth
hatte den Weiterbetrieb der Praxis bereits damals untersagt.

Schon im Oktober hatte es Hinweise darauf gegeben, dass
impfskeptische Menschen von weit her gezielt in die Praxis gekommen
sind, nur um sich eine Bescheinigung zu holen. Von dem Mediziner und
seinem Verteidiger waren bislang keine Stellungnahmen zu den
Vorwürfen zu erhalten.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann sieht die Razzia bei den
Patienten auch als Warnung vor Impfbetrug. «Wer beispielsweise als
Arzt wissentlich wirkungslose Impfdosen an ahnungslose Patienten
verabreicht oder Impfbestätigungen ausstellt, ohne geimpft zu haben,
ist aus meiner Sicht hochkriminell», sagte der CSU-Politiker. Auch
wenn jemand vorgaukele, geimpft zu sein, um in Restaurants oder in
Kinos zu gehen, sei das kein Kavaliersdelikt. «Diese Leute setzen
aufgrund der unkalkulierbaren Infektionsrisiken die Gesundheit und
das Leben anderer aufs Spiel. Daher drohen zu Recht hohe Strafen.»

Die Kripo in Dillingen hat eine eigene Ermittlungsgruppe gebildet, um
die Vorgänge in der Hausarztpraxis aufzuklären. Zwei
Staatsanwaltschaften sind mit den Fällen befasst. Die
Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg hat das Verfahren gegen den
Hausarzt mittlerweile an sich gezogen. Grund dafür ist, dass die
Nürnberger Ermittlungsbehörde als Bayerische Zentralstelle zur
Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitswesen fungiert.
Die Verfahren gegen die Patienten des Arztes werden unterdessen
weiterhin von der Augsburger Staatsanwaltschaft geführt.