Ethikrat-Vorsitzende: Impfpflicht-Empfehlung war von Delta geprägt

Berlin (dpa) - Die Haltung des Deutschen Ethikrats zur möglichen
Einführung einer allgemeinen Impfpflicht richtet sich auch danach,
welche Corona-Variante gerade das Infektionsgeschehen dominiert. Das
sagte die Ratsvorsitzende Alena Buyx dem «Spiegel». Als das Gremium
im Dezember mehrheitlich eine Ausweitung der Impfpflicht von
bestimmten Berufsgruppen auf «wesentliche Teile der Bevölkerung»
empfohlen habe, sei diese Stellungnahme «im Kern unter den
Bedingungen der Delta-Variante geschrieben» worden. Wenn sich die
Faktenlage in der Pandemie - etwa durch die hochinfektiöse
Omikron-Variante - deutlich ändere, müsse man sich aber auch
«normative Einschätzungen, wie man sie getroffen hat, noch einmal neu
anschauen», betonte sie. «Alles andere wäre unverantwortlich.»

Die Mitglieder des Ethikrats stünden für «Revisionsoffenheit», und

das empfehle sie auch der Politik, sagte Buyx dem Nachrichtenmagazin.
«Es kann ja sein, dass sich erneut wichtige Dinge verändern, zum
Beispiel, dass unsere bisherige Impfquote bei zukünftigen,
harmloseren Mutationen doch ausreicht, um in eine kontrollierte
endemische Lage zu gelangen.» Genauso könne natürlich auch das
Gegenteil passieren.

Buyx wies darauf hin, dass aus Sicht des Ethikrats zahlreiche
Bedingungen für die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht noch
nicht erfüllt seien. «Wir haben der Politik ins Aufgabenheft
geschrieben, was alles gemacht werden müsste, bevor eine Impfpflicht
kommen könnte: Man müsste zum Beispiel noch viel mehr
niedrigschwellige, flächendeckende Impfangebote haben. Eine echte
zielgruppenspezifische Strategie aber wurde bislang versäumt.»
Benötigt würden auch eine dauerhafte Impf-Infrastruktur und sehr
viele gute Beratungsangebote. «Es gibt also eine ganze Reihe von
Bedingungen oder flankierenden Maßnahmen, die zwingend sind, bevor es
aus unserer Sicht zu einer Impfpflicht kommen könnte.»

Von den derzeit 24 Ethikrat-Mitgliedern hatten sich Ende Dezember 20
für eine Ausweitung der Impfpflicht ausgesprochen und 4 dagegen. Zum
Umfang der Ausweitung gab es unterschiedliche Auffassungen: So
befürworten 13 der 20, die dafür sind, eine Ausweitung der
Impfpflicht auf alle Erwachsenen, die sich impfen lassen könnten. 7
waren dafür, dies auf Corona-Risikogruppen wie Ältere oder
Vorerkrankte zu beschränken.