Tschentscher stimmt Menschen auf weitere Corona-Einschränkungen ein

Die Corona-Infektionszahlen steigen weiter ungebremst. Hamburgs
Bürgermeister setzt auf weitere Schutzmaßnahmen und will im
öffentlichen Nahverkehr FFP2-Masken wieder zur Pflicht machen. Auch
an Schulen herrscht bald ein noch strengeres Regiment.

Hamburg (dpa/lno) - Hamburgs Bürgerinnen und Bürger müssen sich
angesichts nach wie vor massiv steigender Corona-Zahlen auf weitere
Einschränkungen einstellen. So soll im öffentlichen Nahverkehr wieder
das Tragen einer FFP2-Maske Pflicht werden, wie Bürgermeister Peter
Tschentscher (SPD) am Dienstag nach der Senatssitzung sagte. Weil es
im Nahverkehr oft sehr eng werde, wolle man die
Corona-Eindämmungsverordnung in den nächsten Tagen entsprechend
anpassen. Ab wann die neue Regelung gilt, war zunächst unklar. Eine
einfache OP-Maske reicht dann in Bussen und Bahnen jedoch nicht mehr.

Schülerinnen und Schüler müssen sich zudem nun regelhaft nicht nur
zwei, sondern drei Mal in der Woche jeweils montags, mittwochs und
freitags mittels Schnelltest und unter Aufsicht in der Schule auf das
Coronavirus testen. Spätestens von Montag an gilt die Testpflicht
nach Angaben der Schulbehörde auch für geimpfte und genesene Schüler,

die bislang freiwillig an den Tests teilgenommen haben.

Externe Besucher schulischer Veranstaltungen dürfen zudem nur noch
unter 2G-plus-Bedingungen teilnehmen, müssen also geimpft oder
genesen sein und - sofern nicht geboostert - einen negativen
Corona-Test vorlegen. Für den Sportunterricht in Turnhallen gilt eine
Maskenpflicht.

Nach Angaben der Gesundheitsbehörde stieg die Sieben-Tage-Inzidenz
bei den Corona-Neuinfektionen in Hamburg am Dienstag auf 690,2 - nach
659,7 am Montag und 463,3 am Dienstag vor einer Woche. Unter Kindern
zwischen 5 und 9 Jahren wurden vom Hamburger Institut für Hygiene und
Umwelt nach Angaben der Schulbehörde in der ersten Januarwoche 619
Infektionen und eine Sieben-Tage-Inzidenz von 705 festgestellt. In
der Altersgruppe von 10-19 Jahren habe es 1880 Infektionen und eine
Inzidenz von 1155 gegeben.

Tschentscher räumte ein, dass bei so vielen Neuinfektionen - allein
am Dienstag meldete die Gesundheitsbehörde 2048 - die
Kontaktnachverfolgung und Benachrichtigung aller relevanter Personen
nicht mehr immer funktionierten. «Nicht jeder, der Kontaktperson ist,
kriegt Anrufe.» Früher sei jeder Infizierte fast täglich angerufen
worden, um nach Symptomen zu fragen. «Das alles ist in einer solchen
Lage nicht möglich.» Auch in den Laboren und den Gesundheitsämtern,
die nun mit weiteren 100 Bundeswehrsoldaten unterstützt würden, seien
die Anforderungen massiv gestiegen und die Abläufe verändert worden.

Seit Heiligabend 2021 muss sich laut Eindämmungsverordnung jeder bei
einem Corona-Verdacht oder einer tatsächlichen Infektion auch ohne
Anordnung eines Gesundheitsamts in Isolierung oder Quarantäne
begeben. Bei einem positiven PCR-Test gilt die Isolierung
grundsätzlich 14 Tage und kann bei Ungeimpften auch nicht verkürzt
werden. Haushaltsangehörige, die nicht geimpft oder genesen sind,
müssen sich ebenfalls für zehn Tage in Quarantäne begeben. Die
Quarantänezeit kann bei Personen ohne Symptome am fünften Tag mit
einem negativen PCR-Test und am siebten mit einem negativen
Antigen-Schnelltest verkürzt werden.

Diese Regelungen sind derzeit noch in Kraft, werden nach einem
Beschluss der Ministerpräsidentenkonferenz demnächst jedoch
verändert. Stimmt der Bundesrat den Plänen zu, dann soll künftig
gelten: «Wer einen positiven PCR-Test hat, wer infiziert ist, der
soll für mindestens zehn Tage nach Hause», sagte Tschentscher. Nach
sieben Tagen sei ein Freitesten möglich. «Wer Kontakt hat mit einem
Infizierten und nicht vollständig geimpft und geboostert ist, der
sollte auch zuhause bleiben.» Für geboosterte Kontaktpersonen
wiederum gebe es keine Einschränkungen. Sie müssten auch nicht in
Quarantäne.

Nach der jüngsten Datenpanne bei der Zuordnung der
Sieben-Tage-Inzidenzen bei Geimpften und Ungeimpften kündigte
Tschentscher an, bei der Veröffentlichung von Zahlen künftig
vorsichtiger zu sein. «Wir möchten unsere Maßnahmen gerne plausibel
und überzeugend begründen - und dazu gehören richtige Zahlen.» Die

entstandene Verunsicherung bedauere er sehr. Kritiker werfen dem
SPD-Politiker vor, mit falschen Zahlen Politik gemacht zu haben.

Die Gesundheitsbehörde hatte bis Dezember bei der Veröffentlichung
der Sieben-Tage-Inzidenz auch regelmäßig nach Impfstatus
differenziert. Dabei zählte die Behörde ausschließlich nachweislich
Geimpfte und ging davon aus, dass alle anderen ungeimpft sein müssen.
Für die Kalenderwoche 45 kam die Behörde bei vollständig Geimpften so

auf eine Inzidenz von 22,0. Für die Ungeimpften und nicht vollständig
Geimpften gab sie einen Wert von 605,2 an.

Tatsächlich war der Impfstatus aber in mehr als 2000 Fällen nicht
gesichert, wie aus der Antwort des Senats auf eine Kleine Anfrage der
FDP-Bürgerschaftsabgeordneten Anna von Treuenfels-Frowein hervorgeht.
Nachdem diese Fälle später zu 77 Prozent geklärt waren, ergab sich,
dass die Inzidenz der Geimpften auf 92,7 gestiegen und die Inzidenz
der Ungeimpften beziehungsweise nicht vollständig Geimpften auf 270
gefallen war.

Ursächlich für die Panne seien die Eskalation der Infektionszahlen
und IT-Probleme gewesen, sagte Tschentscher. Da seien die Ämter nicht
hinterhergekommen, den Impfstatus zu erfassen. Die Täuschungsvorwürfe
wies er zurück: «Zum Zeitpunkt der Veröffentlichung war allen nicht
bewusst, dass es diese grobe Abweichung von der Realität gibt». Auch
seien keine Entscheidungen auf Grundlage der Daten getroffen worden.