Erstmals weltweit: 57-Jähriger bekommt Schweineherz transplantiert

An der Verwendung tierischer Organe im Menschen forschen Experten
schon lange. Nun wird bei einem Schwerkranken erstmals ein
Schweineherz genutzt. Könnte damit das Ende von Spende-Wartelisten,
lebenslanger Dialyse und frühem Tod eingeläutet sein?

Baltimore (dpa) - Erstmals weltweit ist einem Menschen ein
Schweineherz als Ersatzorgan eingesetzt worden. Der an einer
lebensgefährlichen Herzkrankheit leidende 57-Jährige habe das Organ
am Freitag bekommen, teilte das University of Maryland Medical Center
in Baltimore am Montag (Ortszeit) mit. Die Operation dauerte laut
US-Medien acht Stunden, das transplantierte Herz habe seitdem seine
Arbeit aufgenommen, dem Patienten gehe es gut.

«Diese Organtransplantation zeigt erstmals, dass ein genetisch
verändertes Tierherz wie ein menschliches Herz funktionieren kann,
ohne dass es der Körper sofort abstößt», teilte die Klinik mit. Der

Patient werde in den kommenden Wochen genau beobachtet. Es handle
sich um einen Mann, der wohl wegen Verletzung der Vorgaben nicht mehr
auf der Warteliste für ein Spenderherz gestanden habe und für den das
tierische Organ die letzte Alternative zum Tod gewesen sei, sagte
Heiner Niemann Honorarprofessor an der Medizinischen Hochschule
Hannover der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Sein Überleben über
einige Tage zeige, dass das Team zumindest die gefährliche direkte
Abstoßungsreaktion in den Griff bekommen habe.

«Ich weiß, es ist ein Schuss ins Dunkel, aber es ist meine letzte
Chance», wurde der Patient von der Klinik zitiert. Er freue sich
darauf, zu genesen und wieder aus dem Bett aufstehen zu können. «Dies
war eine bahnbrechende Operation und bringt uns der Lösung der
Knappheit bei Organen einen Schritt näher», sagte der durchführende
Arzt Bartley Griffith.

Die Transplantation könnte Hoffnung für zehntausende Menschen
bedeuten, die auf Spenderorgane angewiesen sind. Wissenschaftler
versuchen seit geraumer Zeit, Organe aus Schweinen für Menschen
nutzbar zu machen - neben Herzen etwa auch Nieren. Prinzipiell sei
kurzfristig auch für die Leber, aber auch Pankreasinseln, Haut und
Cornea ein Ersatz aus Tieren vorstellbar, sagte Eckhard Wolf vom Gene
Center der Ludwig-Maximilians-Universität München der dpa. Ein Team
um den Veterinärmediziner und den Münchner Herzchirurgen Bruno
Reichart hatte vor einigen Jahren gentechnisch veränderte
Schweineherzen in Paviane transplantiert. Einige überlebten mehr als
ein halbes Jahr, bevor die Studie wie vorgesehen abgebrochen wurde.

Organe aus Tieren haben Wolf zufolge einen entscheidenden Vorteil:
«Es handelt sich um junge, gesunde Spender, die planbar zur Verfügung
stünden.» Wie schnell es nun auch bei anderen Organen zu
Transplantationen kommen könnte, lässt sich schwer abschätzen. Mit
seiner relativ einfachen Pumpfunktion sei das Herz weniger komplex
als etwa die Leber mit ihrem Umsatz vieler verschiedener Stoffe, gab
Niemann zu bedenken.

Damit ihre Organe für den Menschen verwendet werden können, muss das
Erbgut der Spendertiere verändert werden. Ohne genetische Anpassung
käme es bei der Übertragung auf den Menschen zu einer sofortigen
schweren Abstoßungsreaktion, erklärte Wolf. Im konkreten Fall seien
zehn genetische Modifikationen vorgenommen worden. Dabei gehe es
unter anderem um bestimmte Zuckerstrukturen auf der Oberfläche von
Schweinezellen, gegen die der Mensch von Natur aus Antikörper habe.
«Ein weiteres Risiko ist, dass es - wenn menschliches Blut durch
Blutgefäße im Schweineherz fließt - zu Gerinnseln kommt.»

Dieses Problem habe in früheren Versuchsreihen etwa mit Pavianen
häufig zum Absterben des eingesetzten Organs geführt, erläuterte
Niemann. Auch dieses Risiko sei nun durch genetische Modifikationen
gezielt reduziert worden.

«Weitere Genkonstrukte sorgen für die Bildung eines
entzündungshemmenden Proteins», erklärte Wolf. Zusätzlich sei das G
en
für den Wachstumshormonrezeptor ausgeschaltet worden, um ein
übermäßiges Wachstum der Schweineherzen nach der Transplantation zu
verhindern. «Ob alle diese Modifikationen wirklich erforderlich sind,
ist fraglich.» In München vorgenommene Experimente mit Pavianen
hätten gezeigt, dass ein Langzeitüberleben auch mit Spenderherzen mit
nur drei genetischen Modifikationen möglich sei.

Sichergestellt müsse zudem sein, dass die Tiere frei von Mikroben
sind, um einen Übertragung von Viren und anderen Krankheitserregern
auf den Empfänger auszuschließen. Nebenwirkungsreichere Medikamente
als bei einer Transplantation von Mensch zu Mensch werden Wolf
zufolge nicht benötigt: Eine Immunsuppression sei zwar notwendig, sie
sei aber nicht belastender als nach einer herkömmlichen
Transplantation.

In Deutschland sei in den nächsten ein bis drei Jahren mit solchen
Eingriffen zu rechnen, sagte Wolf. «Der klinische Versuch in den USA
wird sicher auf das gesamte Feld eine positive Wirkung haben und die
Entwicklung auch hier beschleunigen.» In absehbarer Zeit könnten die
lebenslange Dialyse bei Nierenpatienten, die «furchtbaren
Wartelisten» für Spenderorgane und verfrühte Todesfälle wegen nicht

rechtzeitig vorhandener Ersatzorgane zur Vergangenheit gehören, hofft
Niemann.

Die sogenannte Xenotransplantation wird seit den 1980er Jahren
erforscht. Schweine sind als Spender besonders geeignet, weil ihr
Stoffwechsel dem der Menschen ähnelt. In den USA hatte in den 1980er
Jahren ein Arzt einem todgeweihten Neugeborenen mit
funktionsunfähigem Herz ein Pavianherz einzusetzen. Das Mädchen
überlebte aber nur wenige Wochen. In klinischen Studien wurden
bereits Pankreas-Inselzellen aus Schweinen transplantiert, um
Menschen mit Diabetes zu helfen.