Wachsender Druck für genaueren Fahrplan zur Corona-Impfpflicht Von Sascha Meyer, dpa

Kommt sie und wenn ja, wann und wie? Zum Start ins parlamentarische
neue Jahr werden Erwartungen lauter, beim umstrittenen Vorhaben einer
Impfpflicht konkret zu werden - doch wie eilig soll es damit sein?

Berlin (dpa) - In der Debatte um eine allgemeine Corona-Impfpflicht
wächst der Druck auf die Ampel-Koalition, einen genaueren Fahrplan
festzulegen. Die oppositionelle Union und die Gesundheitsminister der
Länder verlangten mehr Tempo. Die Bundesregierung bekräftigte,
Kanzler Olaf Scholz (SPD) sei klar für die Impfpflicht. Er
respektiere aber das Vorgehen des Bundestags, wie dieser den Zeitplan
gestalten wolle, sagte die stellvertretende Regierungssprecherin
Christiane Hoffmann am Montag. Ins Gespräch kommen auch weitere
Varianten - darunter ein schrittweises Ausweiten der schon
beschlossenen Impfpflicht für Beschäftigte in Einrichtungen mit
Corona-Risikogruppen zunächst auch auf andere Bereiche.

Die CDU verlangte von der Koalition, eine Gesetzesvorlage zu
erarbeiten. Im Grundsatz sei man sich einig, es gehe nun aber um die
Umsetzung, sagte Generalsekretär Paul Ziemiak in Berlin. Da müsse die
Bundesregierung einfach jetzt liefern. «Nichtstun ist keine Option,
das verunsichert die Menschen.» In seiner Partei seien «die führenden

Personen» für eine Impfpflicht, erläuterte Ziemiak. Und die CDU sei
auch jederzeit bereit, über diese wichtigen Fragen zu sprechen. «Der
Sitzungskalender des Bundestags ist kein Hindernis.»

Die Gesundheitsministerinnen und -minister plädierten für eine rasche
Lösung. «Wir haben die Bitte, dass es möglichst schnell geht, wir
verlieren hier notwendige Zeit», sagte die Vorsitzende der
Gesundheitsministerkonferenz, Petra Grimm-Benne (Sachsen-Anhalt/SPD),
nach einer Schaltkonferenz des Gremiums. Unterschiedliche Positionen
gebe es noch in der Frage, ob man ein Impfregister einführen solle.

Tatsächlich richten sich jetzt verschärfte Blicke auf den Kalender.
Denn eine Zielzeit, ab wann eine zuvor lange ausgeschlossene Pflicht
greifen solle, hatte Scholz früh genannt: «Anfang Februar oder Anfang
März». Über die Regelungen dafür soll der Bundestag nach Plänen v
on
SPD, FDP und Grünen aber in freier Abstimmung ohne Fraktionsvorgaben
entscheiden. Und eben nicht über ein Vorhaben der Koalition, das dann
auch eine Koalitionsmehrheit bekommen müsste. Hintergrund sind auch
offen sichtbare unterschiedliche Positionen in den Ampel-Reihen - vor
allem aus der FDP sind schon verbreitete Vorbehalte laut geworden.

Klar ist inzwischen, dass es Ende Januar wohl zunächst eine offene
«Orientierungsdebatte» über das ethisch sensible Thema geben soll. In

der vergangenen Wahlperiode gab es das etwa schon zu Neuregelungen
bei der Organspende oder zu Bluttests vor der Geburt unter anderem
auf ein Down-Syndrom des Kindes. In solchen Grundsatzdebatten melden
sich viele Abgeordnete in kurzen Reden zu Wort, manche schilderten
dabei zuletzt auch berührende persönliche Eindrücke und Erlebnisse.
Konkrete Gesetzesanträge müssen da noch nicht auf dem Tisch liegen.

Die SPD hat bisher eher allgemein in Aussicht gestellt, den Abschluss
eines Gesetzgebungsprozesses «im ersten Quartal» anzustreben - also
bis spätestens Ende März. Wie passt das zur Zielvorgabe des Kanzlers?
Noch mehr Wirbel gab es übers Wochenende darüber, dass im ganzen
Monat Februar vorerst nur eine einzige Sitzungswoche des Parlaments
im Kalender steht. SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese sagte am Montag im
TV-Sender «Welt»: «Es ist aber auch so, dass der Bundestag jederzeit

handlungsfähig ist und eine Sondersitzung einberufen werden kann,
wenn es die Situation erfordert.» Der Zeitplan sei aber auch ohne
machbar, dass man im März im ersten Quartal zu einem Abschluss komme.

Dabei heben die Ampel-Partner mittlerweile stärker hervor, dass das
Thema «in Ruhe» beraten werden solle - und es auch nicht um die ganz
akute Krisenbekämpfung gehe. Eine Impfpflicht helfe jetzt nicht in
der Omikron-Welle, sondern schütze im besten Fall in der kommenden
Herbst/Winter-Saison vor weiteren Wellen, sagte Janosch Dahmen von
den Grünen im Deutschlandfunk. Der Gesundheitsexperte schlug nun ein
zweistufiges Vorgehen vor: In einem nächsten Schritt solle man die
bereits beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht auf andere
Bereiche wie Feuerwehr, Polizei oder Justizvollzug ausweiten - und
dann so schnell wie möglich zur allgemeinen Impfpflicht kommen.

Eine Pflicht für Personal in Einrichtungen mit schutzbedürftigen
Menschen wie Pflegeheimen und Kliniken war schon im Dezember
besiegelt worden. Beschäftigte müssen nun bis Mitte März nachweisen,

dass sie geimpft oder genesen sind. Dahmen sagte, für eine allgemeine
Pflicht sei es richtig, sich Zeit für Beratungen zu nehmen. «Führung

bedeutet nicht Basta-Politik, sondern die Gesellschaft mitzunehmen
und Gräben zu überwinden.» Die dazu vorgesehenen Gruppenanträge
ermöglichten «eine parteiübergreifende Entscheidungsfindung, die auch

zur Depolarisierung in der Gesellschaft beiträgt».

Konkret sind drei mögliche Initiativen in Sicht, hinter denen sich
Unterstützer versammeln können. Zuerst auf den Tisch kam ein Antrag
einer Gruppe um FDP-Vize Wolfgang Kubicki, der sich klar gegen eine
Impfpflicht ausspricht. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD)
arbeitet nach eigenen Worten «als Abgeordneter» an einem Antrag für
eine Impfpflicht für alle ab 18 Jahren. Der FDP-Gesundheitspolitiker
Andrew Ullmann regte eine altersabhängige Regelung wie in Italien an,
wo sie für Über-50-Jährige gilt. Dies wäre verhältnismäßig, w
enn das
Funktionieren des Gesundheitswesens gefährdet sei. Auch im Ethikrat
gab es in einem Mehrheitsvotum für eine Impfpflicht zwei Positionen
zum Ausmaß: für alle ab 18 oder nur für Ältere und Vorerkrankte.