Checkt das Land bei Luca-App ein oder aus? Entscheidung erst später

Die Luca-App soll in Baden-Württemberg dabei helfen, Corona-Kontakte
nachzuverfolgen. Allerdings ist die Zahl der Kritiker groß. Und eine
Alternative zur privaten Software gibt es auch auf Staatskosten. Nun
läuft der Vertrag aus. Wie entscheidet sich das Land?

Stuttgart (dpa/lsw) - Die Kritik an der Luca-App wird nach einem
Zwischenfall in Mainz wieder lauter. Dennoch will sich das Land noch
Zeit dabei lassen, über eine weitere Zusammenarbeit mit dem privaten
Anbieter der Software für die Corona-Kontaktverfolgung zu
entscheiden. Erst Ende Februar und damit kurz vor Ende der Frist soll
nach Angaben des Gesundheitsministeriums geklärt werden, ob der
Vertrag über März hinaus verlängert wird. «Über eine mögliche
Verlängerung wird in den nächsten Wochen unter anderem mit den
baden-württembergischen Gesundheitsämtern, die Luca nutzen, beraten»,

sagte ein Sprecher am Montag.

Die Lizenz der Software läuft nach früheren Angaben der Behörde Ende

März aus und läuft ohne eine fristgerechte Kündigung automatisch
weiter. Eigentlich hatte das Land bis Ende des vergangenen Jahres und
«auf der Grundlage der bis dahin gemachten Erfahrungen und den dann
noch notwendigen Erfordernissen» entscheiden wollen. Eine Evaluation
sei aber noch nicht abgeschlossen, sagte der Sprecher.

Nach einem Zwischenfall mit der App in Mainz war die Kritik auch in
Baden-Württemberg wieder laut geworden. Die rheinland-pfälzische
Polizei hatte bei Ermittlungen zu einem Todesfall unrechtmäßig auf
Daten von Besuchern einer Gaststätte aus der Luca-App zugegriffen.
Daraufhin hatten vereinzelt Politiker von Grünen und FDP dazu
aufgerufen, das digitale Tool von den mobilen Telefonen zu löschen
und den Vertrag nicht zu verlängern. «Was die Warnung und die
Nachverfolgung angeht, ist die Luca-App mausetot», hatte der
netzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, Alexander
Salomon, gesagt.

Auch FDP-Digitalexperte Daniel Karrais wird deutlich: «Der Vertrag
für die Lizenz der Luca App darf auf keinen Fall verlängert werden»,

sagte er. Der Nutzen von Luca sei gering. Das Datensicherheits-Risiko
sei es nicht wert, die App weiter zu nutzen, sagte er.

Das Ministerium betonte, die App sei «ein guter und
datenschutzkonformer Baustein», der auch vom Datenschutzbeauftragten
empfohlen worden sei. Aber sie sei eben auch nur ein Baustein der
Pandemie-Bekämpfung. Seit Oktober 2021 könne zudem die staatlich
angebotene Corona-Warn-App (CWA) genutzt werden, um die Kontaktdaten
zu erfassen. «In Baden-Württemberg haben wir immer auf die
gleichzeitige sich ergänzende Nutzung der beiden Ansätze verwiesen
und empfohlen, beide Systeme gleichzeitig zu nutzen», sagte der
Sprecher. Es sei niemand gezwungen, die Luca-App zu verwenden.
«Alternativ können die Kontaktdaten weiterhin natürlich auch mit
Zettel und Stift erfasst werden.»

Der Dehoga, der Dachverband der Gastro- und Hotelbranche, sieht
keinen Grund für einen Abschied von der Software. «Nachdem die Luca
App nun in zahlreichen gastgewerblichen Betrieben eingeführt ist,
sollte aus unserer Sicht die Nutzung dieser App auch in Zukunft
möglich bleiben - unabhängig davon, ob andere Apps gegebenenfalls die
gleiche Leistung erbringen», sagte Verbandssprecher Daniel Ohl der
dpa. Betriebe sollten selbst entscheiden können, auf welche
Alternative sie zurückgriffen.

Deutlich schärfer klingt dagegen die Kritik aus Rheinland-Pfalz. Der
dortige Landesbeauftragte für den Datenschutz, Dieter Kugelmann,
fordert, «ernsthaft zu prüfen, ob die Luca-App als Instrument zur
Pandemie-Bekämpfung noch gebraucht wird». «Es gibt immer wieder
datenschutzrechtliche Bedenken», sagte er der Deutschen
Presse-Agentur in Mainz. Möglicherweise sei die mehrfach
nachgerüstete Corona-Warn-App des Bundes ausreichend, bei der die
Daten nicht in einem zentralen Pool, sondern auf dem Smartphone
gespeichert würden.

Baden-Württemberg hatte die App im Frühjahr ohne Ausschreibung und
Wettbewerbsverfahren für 3,7 Millionen Euro erworben. Die Software
digitalisiert die Kontaktdaten, die Besucher beim Check-in in
Restaurants oder auch Veranstaltungsstätten erfassen. Das soll den
Betreibern der Einrichtungen helfen, die gesetzlich vorgeschriebene
Erfassung der Kontakte der Besucher ohne Zettelwirtschaft zu
erledigen. Nach Angaben der Betreiber können die Daten nur
bereitgestellt werden, wenn das jeweilige Gesundheitsamt und der
jeweilige Betrieb in einem Infektionsfall gleichzeitig ihr
Einverständnis erteilen und ihre individuellen Schlüssel anwenden, um
die Daten zu entschlüsseln.

Nach Unternehmensangaben haben bundesweit 40 Millionen Menschen die
Luca-App installiert, 13 Länder haben einen Vertrag abgeschlossen. In
Baden-Württemberg haben sich nach Angaben des Sozialministeriums fast
77 000 Standorte für die App registriert (Stand: 31.12.2021). In den
vergangenen 28 Tagen hätten sich zudem mehr als 5,91 Millionen
Menschen eingecheckt. Im selben Zeitraum seien insgesamt über 20 700
Risikohinweise der Klassen 1 (mögliches Infektionsrisiko) und 2
(erhöhtes Infektionsrisiko) ausgespielt worden.

Zwar sind alle 38 Gesundheitsämter in Baden-Württemberg an das System
angebunden. Allerdings verzichtet das Land seit bereits seit Monaten
wegen der gestiegenen Zahl der Geimpften und Genesenen auf die
massenhafte Kontaktverfolgung bei Corona-Fällen.