Verband: Erholung der Fahrgastzahlen nicht vor 2023 möglich

Quollen Busse und Bahnen früher fast über, sorgt die Corona-Pandemie
für viele leere Plätze. Trotzdem oder gerade deshalb müssten jetzt
die Pläne für Ausbau und Innovation weiter vorangetrieben werden,
fordern die Verkehrsunternehmen.

Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Die Fahrgastzahlen im öffentlichen
Nahverkehr werden nach Einschätzung des Verbands Deutscher
Verkehrsunternehmen frühestens kommendes Jahr wieder das Niveau der
Zeit vor Corona erreichen. 2022 sei dies noch nicht möglich, sagte
der hessische VDV-Vorsitzende Thomas Wissgott der Deutschen
Presse-Agentur in Frankfurt. Ohne die staatlichen Rettungsschirme
wäre die Krise existenzbedrohend für die Unternehmen. Zugleich sei es
wichtig, jetzt weiter zu investieren. Neue Strecken oder Fahrzeuge
hätten jahrelange Vorlaufzeiten.

Die Auslastung im öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) lag zuletzt
bei etwa zwei Dritteln. Es sei zwar nachgewiesen, dass es in Bussen
und Bahnen kein erhöhtes Ansteckungsrisiko gebe. Dennoch stiegen
einige Fahrgäste aus Angst nicht mehr ein. Viele Menschen arbeiteten
zudem im Homeoffice, so dass Fahrtanlässe wegfielen. Dies könne auch
dauerhafte Auswirkungen auf die Fahrgastzahlen haben, sagte Wissgott.

Um Menschen für den ÖPNV zu gewinnen, die bisher mit dem Auto
gefahren sind, sei ein gutes und flexibles Angebot auch auf dem Land
wichtig - On-Demand-Angebote beispielsweise, die die Menschen an
zentrale Haltestellen bringen. Der Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV)
baut sein Modellvorhaben dazu in diesem Jahr weiter aus, in insgesamt
zehn Kommunen soll es am Ende Kleinbusse geben, die Fahrgäste auf
Bestellung («on demand») mitnehmen.

Die Herausforderung sei, dass sich Mobilitätsgewohnheiten mit der
Zeit immer weiter festigten, erklärte der RMV mit Blick auf die
aktuelle Situation. Je länger die Menschen regelmäßig das Auto
nutzten, desto schwieriger werde es, sie wieder zum Umstieg zu
bewegen. «Da müssen wir Vieles anders und neu machen und den ÖPNV
noch stärker auf die individuellen Mobilitätsbedürfnisse
zuschneiden», erklärte RMV-Chef Knut Ringat. Der Verkehrsverbund
erhielt 2020 Corona-Ausgleichszahlungen von Land und Bund in Höhe von
etwa 220 Millionen, für 2021 wird mit einem ähnlichen Betrag
gerechnet. Ein dritter Rettungsschirm für das neue Jahr sei nötig.

Auch Ringat betont die Notwendigkeit von Investitionen trotz Krise:
«Bis 2030 müssen wir 30 Prozent mehr Fahrgäste befördern als vor
Corona, um unseren Teil zur Erreichung der Klimaziele beizutragen.
Wir müssen also nicht nur die Fahrgäste davon überzeugen, wieder bei

uns einzusteigen, sondern auch mit voller Kraft den Ausbau der
Infrastruktur weiter vorantreiben, um all die zusätzlichen Menschen
auch gut an ihr Ziel zu bringen. Das geht nur, wenn man weiterhin
kräftig investiert, neue Strecken baut, Fahrzeugflotten ausbaut und
die geplanten Projekte noch schneller vorantreibt», erklärte der
RMV-Geschäftsführer.

Der Verbund treibt zudem die Digitalisierung voran; rund 16 Millionen
Euro habe der Bund kurz vor dem Jahreswechsel zugesagt für das
Vorhaben «RMVall-in». Unter anderem soll damit die Voraussetzung
geschaffen werden, dass Fahrgäste einfach ein- und aussteigen können
und das Smartphone die Berechnung und Abrechnung des Fahrpreises
übernimmt.