Bovenschulte rechnet mit keinen großen Streitpunkten bei Corona-Runde

Rund zwei Wochen sind erst vergangen seit dem letzten
Corona-Krisengipfel von Bund und Ländern. Nun wollen Bundeskanzler
Olaf Scholz und die Ministerpräsidenten erneut beraten, wie es im
Umgang mit der Omikron-Welle weitergehen soll.

Berlin (dpa) - Unmittelbar vor der Bund-Länder-Runde zur Corona-Krise
rechnet Bremens Bürgermeister Andreas Bovenschulte mit keinen großen
Streitpunkten. «Es liegt ein Beschlussvorschlag vor. Und ich erwarte
eigentlich, dass wir uns auf dieser Linie, die da vorgezeichnet wird,
auch einigen können», sagte der SPD-Politiker am Freitag im
ARD-«Morgenmagazin». Es werde eine gemeinsame Regelung zu 2G plus im
Kernbereich der Gastronomie geben sowie eine dringende Empfehlung zum
Tragen von FFP2-Masken im öffentlichen Personennahverkehr und im
Einzelhandel. «Und wir werden uns natürlich auch mit erleichterten
Quarantäneregelungen beschäftigen, damit wir auch bei stark
steigenden Fallzahlen die kritische Infrastruktur weiter am Laufen
halten können», sagte Bovenschulte.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und die Ministerpräsidentinnen und
-präsidenten der Länder kommen am Mittag zu einer Videokonferenz
zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Wegen des
befürchteten steilen Anstiegs der Infektionszahlen durch die
Omikron-Variante hatten Bund und Länder bereits vor etwas mehr als
zwei Wochen verschärfte Kontaktbeschränkungen und weitere Maßnahmen
beschlossen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) hatte am Morgen erneut einen Anstieg
der offiziellen bundesweiten Sieben-Tage-Inzidenz gemeldet. Es gab
den Wert der Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner und Woche mit 303,4
an. Der Wert steigt seit Ende Dezember von Tag zu Tag, wobei das RKI
weiterhin von einer Untererfassung der Neuinfektionen wegen weniger
Tests und Meldungen im Zuge der Feiertage und der Ferien ausgeht.

Die Lage

Der Expertenrat der Bundesregierung mit Virologen, Immunologen,
Kinder- und Jugendmedizinern, Ethikern und Bildungsforschern hatte am
Donnerstag seine zweite Stellungnahme vorgelegt. Sie dürfte bei den
Beratungen eine wichtige Rolle spielen. Das Gremium schätzt die
Situation so ein: Trotz abklingender Delta-Welle und gesunkener
Patientenzahlen in den Kliniken ist die Belegung der
Intensivstationen weiterhin auf einem hohen Niveau, teils seien
Intensivkapazitäten auch «dauerhaft ausgelastet». Die
Omikron-Variante wird nach Ansicht der Experten «zeitnah» auch in
Deutschland dominant sein.

Gefährlichkeit von Omikron

Die Experten verweisen auf erste Studien, die darauf hindeuteten,
dass Omikron zu milderen Krankheitsverläufen führt - auch bei Kindern
- und dass Krankenhausaufnahmen seltener werden. Sie bekräftigen
aber, dass bei vielen gleichzeitig auftretenden Infektionen trotzdem
viele Menschen ins Krankenhaus kommen könnten. Bei sehr hohen
Inzidenzwerten sei mit einer «erheblichen Belastung und regional auch
Überlastung» der Kliniken zu rechnen. Gewarnt wird auch erneut vor
Personalausfällen durch viele gleichzeitige Ansteckungen. Kliniken
und Pflegeeinrichtungen müssen sich nach Einschätzung des Gremiums in
den kommenden Wochen «auf eine erhebliche Belastung» einstellen.

Gegenmaßnahmen

Der Corona-Expertenrat empfiehlt nun vor allem eine Vorbereitung auf
«eine vermehrte Beanspruchung der Notaufnahmen und der
Normalstationen». Es sollten umgehend Stufenkonzepte zur Aktivierung
zusätzlicher Versorgungsbereiche für infektiöse Patienten erarbeitet

werden, raten die 19 Experten. Zudem sollten «in allen Bundesländern
Vorbereitungen zur Reduktion planbarer Eingriffe getroffen werden,
die im Falle einer starken Belastung ad hoc aktiviert werden können».

Kontaktbeschränkungen

Bei ihren Beratungen am 21. Dezember hatten Scholz und die Länder die
Kontaktbeschränkungen weiter verschärft. Kurz nach Weihnachten traten
sie in den meisten Bundesländern in Kraft: Seitdem dürfen sich auch
Geimpfte und Genesene nicht mehr unbegrenzt treffen, sondern maximal
zu zehnt, Kinder nicht mitgezählt. Für Treffen, an denen auch nur ein
Ungeimpfter oder nicht Genesener beteiligt ist, gilt schon länger: Es
dürfen nur Leute des eigenen und maximal zwei Personen eines anderen
Haushalts dabei sein, Kinder nicht mitgezählt. Gesundheitsminister
Karl Lauterbach (SPD) hatte sich vor den Beratungen am Freitag für
weitere Kontaktbeschränkungen ausgesprochen. Der Expertenrat der
Bundesregierung empfiehlt dies zunächst aber nicht.

2G-Plus in Gaststätten?

Beraten wird auch über höhere Zutrittsschwellen für die Gastronomie.

Genesene oder Geimpfte, die noch nicht «geboostert» sind, brauchen
möglicherweise künftig fürs Restaurant oder Café noch einen
zusätzlichen aktuellen Test. Das sieht eine Beschlussvorlage vom
Donnerstagnachmittag für die Beratungen vor. Dem Papier zufolge
könnte ein solcher Schritt inzidenzunabhängig und bundesweit
umgesetzt werden. Ob es wirklich dazu kommt, ist offen, da es sich
bei dem Papier zunächst um eine Diskussionsgrundlage handelt.

Quarantäneregeln

Über eine Lockerung wird seit Tagen debattiert. Es geht darum, zu
viele Personalausfälle zu vermeiden, insbesondere in wichtigen
Versorgungsbereichen. Andere Staaten haben wegen Omikron bereits ihre
Quarantäneregeln geändert. Diskutiert wurde zuletzt über verschiedene

Vorschläge von Bund und Ländern. Gemeinsamkeit: Die Quarantäne für

Kontaktpersonen und die Isolierung für Infizierte sollen verkürzt und
vereinfacht werden. Bisher kann Quarantäne und Isolierung je nach
Virusvariante, Impf- und Genesenenstatus für bis zu 14 Tage gelten.
Wenn es sich etwa um Omikron handelt, gibt es auch für Geimpfte und
Genesene keine Ausnahmen. Nun könnten die Fristen je nach Vorschlag
auf fünf bis sieben Tage mit Freitestung und zehn Tage ohne Test
verkürzt werden. Für «Geboosterte» könnte Quarantäne wegfallen.


Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis sprach sich für ein
bedachtsames Vorgehen aus. Daten insbesondere aus Dänemark legten
nahe, «dass man die Quarantänezeit schon verkürzen kann», sagte
Karagiannidis dem Radiosender WDR 5. Er betonte aber: «Wir müssen uns
auch darum kümmern, dass möglichst wenig vulnerable Gruppen, das
heißt Ältere und Kinder, angesteckt werden.»

Weitere Themen

Lockerungen bestehender Regeln sind nicht zu erwarten. Es dürfte
absehbar dabei bleiben, dass nur Geimpfte oder Genesene Zutritt zu
Kinos, Theatern oder Geschäften - außer Geschäften des täglichen
Bedarfs - haben. Interessant wird, was Bund und Länder zum Thema
allgemeine Impfpflicht zu sagen haben. Bei der vergangenen Beratung
am 21. Dezember war vereinbart worden, dass die Vorbereitungen für
die «in den Blick genommene Einführung» einer solchen Pflicht
vorangetrieben und kurzfristig ein Zeitplan vorgelegt werden solle.
Zuletzt zeichnete sich aber ab, dass es einen eiligen Beschluss im
Bundestag über die Impfpflicht nicht geben wird, weil noch viele
Fragen offen sind. Bund und Länder dürften außerdem noch einmal für

Booster-Impfungen werben und ihre Appelle an die Bevölkerung
bekräftigen, die Impfangebote wahrzunehmen.