Kosmetikbehandlung geht schief - Strafbefehl für Heilpraktikerin

Spritzen mit erheblichen Nebenwirkungen: «Wie Frankensteins
Gesellenstück» habe sie nach einer Schönheitsbehandlung im Gesicht
ausgesehen, sagt eine 55-jährige Nordfriesin. Die verantwortliche
Heilpraktikerin muss nun mit einer Haftstrafe rechnen.

Hamburg (dpa) - Durch eine misslungene Gesichtsfaltenbehandlung hat
sich eine Heilpraktikerin nach Überzeugung des Amtsgerichts
Hamburg-Wandsbek der gefährlichen Körperverletzung schuldig gemacht.
Die Richterin erließ am Donnerstag einen Strafbefehl über acht Monate
Haft auf Bewährung gegen die 49-Jährige aus Bielefeld. Die Angeklagte
war trotz telefonischer Ermahnung nicht zu dem Prozess erschienen.
Daraufhin beantragte der Staatsanwalt den Strafbefehl. Die Richterin
stimmte zu.

Nach Angaben der Staatsanwaltschaft hatte die 49-Jährige am 27. Mai
2018 in Hamburg eine Kundin von einer Kosmetik-Schülerin mit
Hyaluronsäure behandeln lassen. Das Mittel sollte gespritzt werden,
um Gesichtsfalten zu glätten. Die Schülerin soll die Kundin aber
weder über das Risiko der Behandlung aufgeklärt noch auf Hygiene
geachtet haben. Sie habe die Nadeln und auch das Gesicht nicht
desinfiziert. Bei der Kundin bildeten sich in der Folge mehrere
Abszesse unter der Haut. Die Frau musste stationär im Krankenhaus
behandelt und dreimal operiert werden.

Der Strafbefehl muss formal noch erlassen werden, wie die Richterin
erklärte. Die Heilpraktikerin hat dann zwei Wochen Zeit, um Einspruch
einzulegen. Ihr Fernbleiben hatte die 49-Jährige mit Corona-Symptomen
begründet. Die Angeklagte habe jedoch kein ärztliches Attest
vorgelegt, sagte die Richterin.

Die Heilpraktikerin ist nach Angaben eines Gerichtssprechers bereits
vorbestraft. Das Amtsgericht Bielefeld habe sie am 12. August 2020
wegen Urkundenfälschung und Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz zu
einer Bewährungsstrafe von anderthalb Jahren Haft verurteilt. In das
Urteil wurde eine frühere Strafe wegen Steuerhinterziehung
einbezogen. Sollte auch der Strafbefehl rechtskräftig werden, könnte
der Angeklagten eine Ladung zum Haftantritt drohen.

Die geschädigte Kundin erschien zu dem Prozess als Zeugin, wurde vom
Gericht aber nicht mehr vernommen. Nach der Verhandlung sagte sie,
die Heilpraktikerin habe damals Seminare in mehreren Städten gemacht.
Sie selbst habe nach ihrer Behandlung in Hamburg überall Abszesse im
Gesicht gehabt. «Ich war entsetzt», sagte die 55-jährige
Frührentnerin aus Nordfriesland. Sie sei danach innerhalb von fünf
Wochen dreimal unter Vollnarkose operiert worden.

Bereits Ende 2020 hatte die Nordfriesin der «Bild»-Zeitung gesagt,
dass sie eine Falte zwischen Nase und Mundwinkel behandeln lassen und
einen Teil der Augenbrauen loswerden wollte. Eine Freundin habe ihr
die Heilpraktikerin empfohlen. Das Angebot für 160 Euro sei günstig
gewesen. «Ich sollte als Model für eine ihrer Schülerinnen zur
Verfügung stehen, ging aber davon aus, dass (die Heilpraktikerin)
dabei ist und notfalls einschreitet», sagte die Kundin der «Hamburger
Morgenpost». Doch nach der Behandlung sei sie voller Pusteln gewesen.
«Ich sah aus wie Frankensteins Gesellenstück», sagte sie der
«Bild»-Zeitung. «Jetzt habe ich mehr Falten als vorher.»

Bei dem Gerichtstermin am Donnerstag trug die Frau eine FFP2-Maske,
eventuelle Spätfolgen der missglückten Behandlung waren nicht zu
sehen. Die 55-jährige hatte sich modisch gekleidet mit Löcher-Jeans,
grauem Rollkragenpullover, einer strassbesetzten Sweatshirtjacke,
verzierten Stiefeletten und einem dunklen Kunstpelzmantel. Ihre
braunen Haare hatte sie mit einer silbernen Glitzerklammer
zusammengesteckt.

Die Kundin hat die Heilpraktikerin auch in einem Zivilverfahren auf
Schmerzensgeld verklagt. Das Landgericht Flensburg habe der
55-Jährigen in einem Versäumnisurteil 12 000 Euro zugesprochen, sagte

der Gerichtssprecher.

Die Vereinigung der Deutschen Ästhetisch-Plastischen Chirurgen
(VDÄPC) hatte im Herbst vergangenen Jahres eine stärkere rechtliche
Beschränkung von Behandlungen dieser Art gefordert.
«Filler-Materialien» gegen Falten wie Botox oder Hyaluronsäure seien

Medizinprodukte. «Jeder kann sie erwerben. Das ist eine ganz bizarre
Situation. Es gibt viele Stellen, die das legal machen dürfen, obwohl
sie mögliche Komplikationen nicht behandeln könnten», sagte der
Präsident der Fachgesellschaft, Steffen Handstein, auf der
Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Ästhetisch-Plastische
Chirurgie (DGÄPC) in Bielefeld.