FDP hat große Bedenken wegen Impfpflicht gegen Corona

In der FDP will man die Impfpflicht zwar nicht ausschließen, aber die
Skepsis wächst. Die Parteispitze im Südwesten ruft nach Alternativen.

Stuttgart (dpa/lsw) - Beim traditionellen Dreikönigstreffen der FDP
haben die Liberalen erhebliche Zweifel gegenüber einer allgemeinen
Impfpflicht geäußert. «Ich bin nicht mehr prinzipiell dagegen», sag
te
Parteichef Christian Lindner am Rande des Treffens zur Deutschen
Presse-Agentur in Stuttgart. «Aber ich bin auch nicht positiv
entschieden.» So kenne er etwa noch nicht die Gruppenanträge dazu im
Bundestag.

Auch FDP-Landeschef Michael Theurer äußerte Bedenken: «Ich persönli
ch
bin, was ein Bußgeld angeht, immer noch skeptisch, weil ich den
Eindruck gewonnen habe, dass ein Bußgeld eingefleischte Impfgegner
wahrscheinlich nicht dazu bringen wird, sich impfen zu lassen.» Die
Einladung zu einem Impftermin und die Verpflichtung zu einem
Beratungsgespräch bei Ärzten und Ärztinnen könnten die
Impfbereitschaft womöglich erhöhen.

Lindner verwies auf die Lageentwicklung rund um die Omikron-Variante.
«Deshalb ist gut, dass wir uns noch etwas Zeit lassen», sagte er.
«Für die fünfte, für die Omikron-Welle, würde eine allgemeine
Impfpflicht ebenfalls ja auch noch keinen Beitrag leisten.»

«Je länger die Diskussion anhält, desto mehr stellt sich heraus, dass

die Impfpflicht kein Allheilmittel ist», sagte Theurer. Es sei eine
trügerische Hoffnung, dass die Impfpflicht als Patentrezept zu einem
Ende der Pandemie führe. Der Parlamentarische Staatssekretär im
Bundesverkehrsministerium führte etwa an, dass Geimpfte dennoch
ansteckend sein könnten, dass es neue Mutationen gebe und Menschen
mit Vorerkrankungen, die sich nicht impfen lassen könnten.

Der Bundestag soll voraussichtlich in diesem Jahr in freier
Abstimmung ohne Fraktionsdisziplin über die Impfpflicht entscheiden.

Auch der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke sieht eine Impfpflicht
gegen Corona skeptisch. Ungeimpfte würden große Einschränkungen in
Kauf nehmen, sagte Rülke in der pandemiebedingt fast leeren
Stuttgarter Staatsoper. Es stelle sich daher die Frage, ob die vage
Drohung einer Ordnungsstrafe Ungeimpfte überzeugen könnte. Er
erwarte, dass Befürworter einer Impfpflicht auch über die Umsetzung
sprechen. «Und nicht wie Winfried Kretschmann erstmal etwas fordern
und dann hinterher feststellen: Das geht nicht, wie er das fünfmal im
vergangenen Jahr schon unter Beweis gestellt hat». Rülke kritisierte
den grünen Ministerpräsidenten etwa für die Rücknahme der Osterruhe

sowie die unklaren 2G-plus-Regelungen Anfang Dezember.

Kretschmann komme mit «MPK-Märchen», sagte Rülke - er gebe der
Ministerpräsidentenkonferenz die Schuld an Fehlern seiner
Corona-Politik. Dabei sei die Konferenz aus Bund und Ländern gar kein
rechtssetzendes Organ. Kretschmann könne Maßnahmen wie die sogenannte
2G-Plus-Regel oder Geisterspiele selbst in Baden-Württemberg
durchsetzen, sagte Rülke. Der Regierungschef erwecke hingegen nur den
Anschein des Handelns, erreiche aber in Realität nichts - und dort wo
er Maßnahmen beschließe, mündeten sie in Chaos. Es gehe ihm nur um
Symbolpolitik, sagte Rülke.

Der Fraktionsvorsitzende wetterte auch gegen die geplante
Mobilitätsgarantie. Die Landesregierung hat sich vorgenommen, dass im
Jahr 2030 alle Orte im Südwesten von 5.00 Uhr früh bis Mitternacht
mit dem öffentlichen Nahverkehr erreichbar sind. «Das wird nicht
überall im Schwarzwald und auf der Schwäbischen Alb funktionieren»,
sagte Rülke. Er lehne die geplante Nahverkehrsabgabe ab, die den
Kommunen beim Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs helfen soll.

Landeschef Theurer warf Grün-Schwarz eine Politik des Stillstands
vor. «Der Ministerpräsident, den ich ja persönlich sehr schätze, er

wirkt in manchen politischen Diskussionen zunehmend versteinert»,
sagte Theurer. «Die grün-schwarze Regierung hier ist zunehmend eine
Stillstandskoalition.»

Die FDP stimmt sich mit ihrem Dreikönigstreffen in Stuttgart
traditionell auf das politische Jahr ein. Pandemiebedingt fand es in
diesem Jahr zum zweiten Mal in Folge als Online-Veranstaltung statt.
Im Opernhaus in Stuttgart versammelte sich nur die Parteispitze.