Sorge unter jungen Menschen: Macht die Corona-Impfung unfruchtbar? Von Leo Stahlberg und Marc Fleischmann, dpa

«Bist du gegen Corona geimpft?» Auf diese Frage antworten junge
Menschen mitunter: «Nein, ich will ja noch Kinder haben.» Dass diese
Sorge unbegründet ist, zeigt ein Faktencheck.

Berlin (dpa) - Jede einzelne Impfung zählt auf dem Weg, die Pandemie
in den Griff zu bekommen. Aktuell kann sich in Deutschland jeder
Erwachsene gegen das Coronavirus impfen lassen. Doch gerade unter
jungen Menschen wird oft gegen die Spritze argumentiert, man wolle
sich dadurch nicht den Kinderwunsch verbauen.

Behauptung: Die Corona-Impfung macht unfruchtbar.

Bewertung: Es gibt keine Hinweise darauf, dass eine Corona-Impfung
Auswirkungen auf die Fruchtbarkeit hat.

Fakten: Das Gerücht, eine Corona-Impfung könne unfruchtbar machen,
hält sich so hartnäckig, dass das Robert Koch-Institut (RKI) in einem
Frage-und-Antwort-Stück darauf eingeht. Im Bereich «Impfung bei
Schwangeren, Stillenden und bei Kinderwunsch» heißt es zu der vor
allem im Internet verbreiteten Behauptung, die Impfung mache Frauen
oder Männer unfruchtbar: «Diese Aussage ist falsch.»

Das RKI zählt danach mehrere Punkte auf, die diese Worte untermauern:
In den nicht-klinischen Studien vor Zulassung der Impfstoffe habe es
keine Hinweise auf das Auftreten von Unfruchtbarkeit nach der Impfung
gegeben. In der Zulassungsstudie des Herstellers Biontech seien zwölf
Frauen unter den Geimpften und elf Frauen in der Gruppe mit
Placebo-Gabe innerhalb des Nachbeobachtungszeitrums von zwei Monaten
schwanger geworden.

Das RKI nennt zudem eine Studie aus Israel. Ausgewertet wurden Daten
von 36 Paaren, die sich in einer Behandlung für eine künstliche
Befruchtung befanden und in der Zeit impfen ließen. Bei Anzahl und
Qualität der gewonnenen Eizellen sowie der untersuchten
Spermienparameter habe es vor und nach der Impfung keinen Unterschied
gegeben, teilt das Institut mit.

In einer aktuellen Studie aus Israel ging es ebenso um die weibliche
Fruchtbarkeit im Zusammenhang mit der Corona-Impfung. Am
Schiba-Krankenhaus bei Tel Aviv wurde bei 129 vollständig mit
Biontech geimpften Frauen der Spiegel des Anti-Müller-Hormons
überwacht. Dieses gibt Aufschluss darüber, wie viele Eizellen eine
geschlechtsreife Frau produziert. Ergebnis war, dass die Impfung
keinen Einfluss auf das Hormonlevel hatte.

Nach einer Studie der University of Miami müssen sich auch Männer im
Zuge der Corona-Impfung keine Sorgen um ihre Zeugungsfähigkeit
machen: Vor und nach Gabe von zwei Dosen eines mRNA-Impfstoffes waren
die Spermien der untersuchten 45 Männer zwischen 18 und 50 Jahren
gleich fit.

Wie konnte die Falschinformation, die Impfung mache Frauen
unfruchtbar, überhaupt entstehen? Eine Antwort darauf geben Forscher
der Universität Jena: Sie widerlegen eine im Internet verbreitete
Behauptung, die nach der mRNA-Impfung vom Immunsystem gebildeten
Antikörper richteten sich gegen Bestandteile der Plazenta. «Weder aus
den bisherigen Erfahrungen mit Schwangeren, die an Covid-19 erkrankt
sind, noch aus Sicht der Plazentaforschung lässt sich die Behauptung
belegen», sagt Ekkehard Schleußner, Direktor der Klinik für
Geburtsmedizin.

Durch die mRNA-Impfung wird eine Art Spike-Protein des Coronavirus
gebildet. Das Virusprotein weist in einem winzigen Teil eine
Ähnlichkeit mit dem Protein Syncytin-1 auf. Dieses ist während einer
Schwangerschaft an der Bildung der Plazenta beteiligt. Die
Ähnlichkeit beschränke sich jedoch lediglich auf eine Sequenz von 5
von 1273 Aminosäuren im Spike-Protein beziehungsweise 538 Aminosäuren
im Syncytin-1-Protein. Die Sequenzen seien noch nicht einmal
identisch, da sie sich in der mittleren Aminosäure unterscheiden.

«Hier dürfte also der Mythos seinen Ursprung haben», schreibt die Uni

Jena. Seit Jahren würden in der Therapie bestimmter
Autoimmunkrankheiten jedoch Antikörper gegen ein Protein genutzt, das
dem Syncytin-1-Protein sehr viel ähnlicher sei. Zahlreiche
Experimente hätten gezeigt, dass dies keinerlei Einfluss auf die
Plazentaentwicklung habe.

Zudem: Wenn schon die Impfung unfruchtbar machen würde, dann müsste
es eine Corona-Infektion erst recht tun, betont die Uni Jena. Denn
bei einer Infektion sei die potenzielle Antikörper-Bildung deutlich
höher und auch unkalkulierbarer als bei einer Impfung.

Es gebe keine besondere Ähnlichkeit zwischen dem Spike-Protein von
Sars-CoV-2 und dem für die Bildung der Plazenta wichtigen Protein
Syncytin-1, erklärt auch Virologe Lars Dölken von der Universität
Würzburg gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Und das RKI ergänzt:

«Nach dieser Logik müsste auch die Infektion mit Covid-19 unfruchtbar
machen. Auch dies wurde jedoch weltweit nicht beobachtet.»

Schwangere sind besonders gefährdet, schwer an Covid-19 zu erkranken.
Das zeigen Daten der «Cronos-Registerstudie», die den Zustand von
Müttern und Babys untersucht, wenn sich die Mutter während der
Schwangerschaft mit Covid-19 infiziert.

In den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (Stiko) wird Frauen
deshalb ab dem 2. Trimenon eine Corona-Impfung mit einem
mRNA-Impfstoff empfohlen. Es gebe nur noch sehr wenige Gründe gegen
eine Impfung von werdenden Müttern. Dazu zählt etwa eine bekannte
Allergie gegen einen der Inhaltsstoffe.