Betrugs-Schuldspruch für Gründerin von Bluttest-Firma Theranos Von Andrej Sokolow, dpa

Elizabeth Holmes wurde mit Apple-Gründer Steve Jobs verglichen und
als Selfmade-Milliardärin gefeiert. Jetzt droht der 37-Jährigen eine
Haftstrafe. US-Geschworene urteilten, dass sie Investoren hinters
Licht führte, um an Geld für ihr Start-up zu kommen.

San Jose (dpa) - Einst versprach Elizabeth Holmes eine Revolution bei
Bluttests, jetzt ist sie des Betrugs an ihren Geldgebern schuldig
gesprochen worden. Geschworene in Kalifornien konnten sich am Montag
(Ortszeit) zugleich nur in vier von elf Anklagepunkten auf einen
Schuldspruch einigen. Holmes hatte das letztlich gescheiterte
Bluttest-Start-up Theranos gegründet und nahezu eine Milliarde Dollar
von Investoren bekommen. Sie wies den Betrugsvorwurf stets zurück.
Die 37-Jährige, die vor Prozessbeginn Mutter wurde, kann gegen das
Urteil in Berufung gehen.

Über das Strafmaß wird Richter Edward Davila zu einem späteren
Zeitpunkt entscheiden. Theoretisch drohen Holmes bis zu 20 Jahre
Gefängnis pro Anklagepunkt - allerdings gingen Prozessbeobachter in
den USA davon aus, dass die Strafe deutlich milder ausfallen dürfte.

Der Fall Theranos bot alles, was einen Wirtschaftskrimi ausmacht: den
spektakulären Fall einer Vorzeigeunternehmerin, mutige Whistleblower,
einen Journalisten, der sich von teuren Anwälten nicht einschüchtern
ließ. Einige in den USA sahen in dem Prozess auch die Hype-Kultur im
Silicon Valley am Pranger.

Das große Versprechen von Theranos war, Bluttests für immer zu
verändern: Nur wenige Tropfen aus dem Finger sollten reichen, um auch
umfangreiche Analysen durchzuführen. Holmes, die Theranos als
19-jährige Studienabbrecherin der Elite-Uni Stanford gründete, wurde
als Visionärin gefeiert. Medien verglichen sie mit Apple-Gründer
Steve Jobs - was von ihrer Vorliebe für schwarze Rollkragenpullover
noch unterstützt wurde. Die Gesamtbewertung von Theranos erreichte in
den Finanzierungsrunden bis zu neun Milliarden Dollar. Auch das
Vermögen von Holmes betrug damit zumindest auf dem Papier mehrere
Milliarden Dollar.

Unter anderem die Drogerie-Kette Walgreens stieg ein und machte in
Dutzenden Läden Platz für Theranos-Teststationen. Wie sich jedoch
herausstellte, funktionierte die Technologie von Theranos nie
verlässlich genug. So wurden Tests nicht mit eigenen Maschinen der
Firma, sondern mit Labortechnik anderer Hersteller durchgeführt, die
von Theranos-Technikern auf eigene Faust umgeändert wurde. Investoren
und der Öffentlichkeit wurde das verschwiegen.

Ein zentrales Problem dieser Methode war, dass die Maschinen der
Konkurrenz auf größere Mengen Blut aus den Venen der Patienten
ausgelegt waren. Theranos musste deswegen die kleinen Fingerproben
strecken, was aber die Genauigkeit einiger Tests beeinträchtigte.

Ein weiterer Faktor war laut Experten, dass der Druck auf die
Fingerkuppen bei der Blutabnahme die Beschaffenheit der Proben
verändert - was ebenfalls zu falschen Analysewerten führen kann. Die
Ergebnisse dienen Ärzten aber als Anhaltspunkt für mögliche
Erkrankungen und Behandlungen. Theranos musste schließlich auf
breiter Front Testergebnisse annullieren.

Einige Geldgeber trugen auch den Eindruck davon, dass
Theranos-Technologie für den Einsatz durch das US-Militär in
Kriegsschauplätzen im Rennen sei. Sondierungen dazu liefen jedoch in
Wirklichkeit schnell in eine Sackgasse.

Die Probleme wurden 2015 mit einer Serie von Enthüllungsberichten im
«Wall Street Journal» bekannt, die Theranos zunächst mit Hilfe von
Anwälten zu unterdrücken versuchte. Holmes stritt alles ab, aber die
Artikel riefen US-Regulierungsbehörden auf den Plan, die unter
anderem die Labore der Firma unter die Lupe nahmen. Theranos musste
dichtmachen - und die Geldgeber gingen leer aus. 2018 folgte die
Anklage, der Prozess begann aber erst im Herbst vergangenen Jahres.

Pikanterweise war auch der Besitzer des «Wall Street Journal», Rupert
Murdoch, unter den Theranos-Investoren, die schließlich ihr Geld
verloren. Holmes hatte zudem einflussreiche Figuren wie die
Ex-Außenminister Henry Kissinger und George Shultz sowie Donald
Trumps späteren Verteidigungsminister James Mattis in den
Verwaltungsrat geholt. Sie verliehen Theranos Glaubwürdigkeit, hatten
aber keine Expertise in der Medizintechnik.

In der Familie von George Shultz sorgte die Kontroverse für ein
jahrelanges Zerwürfnis. Shultz' Enkel Tyler, der zeitweise bei
Theranos gearbeitet hatte, war eine zentrale Quelle der Enthüllungen.
Sein Großvater hielt aber lange danach noch zu Holmes. Die Eltern von
Tyler Shultz befürchteten zwischenzeitlich den finanziellen Ruin und
flehten ihren Sohn an, es gut sein zu lassen, wie er später erzählte.

Die Anklage warf Holmes vor, Geldgeber bewusst hinters Licht geführt
zu haben, um an Investitionen für Theranos zu kommen. Die
Geschworenen sahen das bei drei Geldspritzen bestätigt - und sprachen
Holmes in einem weiteren Anklagepunkt auch der Verschwörung zum
Betrug schuldig, wie aus Gerichtsunterlagen von Montag hervorging.

Holmes sagte in dem Prozess aus, sie habe aufrichtig an die
Technologie geglaubt, aber als Chefin nicht von allen Problemen
gewusst. Für eine Verurteilung mussten die Ankläger die Geschworenen
- acht Männer und vier Frauen - überzeugen, dass Holmes Investoren
mit betrügerischen Absichten falsch informiert und Fehler bei Tests
von Patienten in Kauf genommen habe. Bei drei Anklagepunkten konnten
sich die Geschworenen nicht auf das nötige einstimmige Votum einigen.
Diese Vorwürfe können die Staatsanwälte noch einmal vor Gericht
bringen. Zunächst war unklar, ob sie das anstreben wollen.

Die Staatsanwälte pickten sich für die Anklage die Fälle von zwei
Patienten sowie sechs Überweisungen von Theranos-Geldgebern im Höhe
zwischen knapp 100 000 und rund 100 Millionen Dollar aus den Jahren
2013 und 2014 heraus. Des gezielten Betrugs an Patienten befanden die
Geschworenen Holmes nicht schuldig.