Debatte um Demo-Auflagen in der Pandemie - Landtag mit Sondersitzung

In Sachsen gelten seit Mitte November 2021 besonders strenge Corona-
Schutzmaßnahmen. Sie betreffen auch das Versammlungsrecht. Nun wird
über eine Aufweichung der Regelungen diskutiert.

Dresden (dpa/sn) - Die Parteien in Sachsen sind uneins über die
Lockerung von Auflagen für Versammlungen in der Corona-Pandemie. Nach
der aktuellen Schutzverordnung dürfen sich aufgrund der hohen
Infektionszahlen im Freistaat an einem Ort nur maximal zehn Menschen
versammeln. Die AfD bekräftigte am Montag erneut ihre Haltung, alle
diesbezüglichen Beschränkungen aufzuheben. Am Mittwoch will dazu auf
ihren Antrag der Landtag in einer Sondersitzung debattieren.

Am Montag sprach sich die Linke für eine Ausweitung der
Versammlungsfreiheit aus. Man müsse den demokratischen Meinungsstreit
unter Gesundheitsschutzauflagen ermöglichen, sagte die Abgeordnete
Juliane Nagel. «Wer Grundrechte opfert, weil sie auch von Rechten wie
Querdenkern und Co. wahrgenommen werden, wählt das falsche Mittel im
Umgang mit Demokratiefeinden und schwächt vor allem die Vernünftigen
(...)», argumentierte sie. Die Linke bleibe in dieser Debatte «viel
zu leise» und beschränke sich weitestgehend auf die Kritik an
fehlenden Eingriffen der Polizei gegen Proteste.

«Aus meiner Sicht scheint die 10-Personen-Grenze willkürlich gezogen
worden zu sein. Ich sehe keinen zwingenden Grund, warum sich nicht
auch 15, 50 oder 150 Menschen versammeln können», sagte die
Innenexpertin der Linken, Kerstin Köditz, der Deutschen Presse-
Agentur. Bedingung sei die Einhaltung der Hygieneregeln. «Wir als
Linke haben unsere Bedenken gegen die 10-Personen-Grenze schon vor
Monaten bei den Ausschussberatungen zu den Schutzverordnungen
eingebracht, aber das ist verhallt.» Ein schrittweises Öffnen wäre
jetzt der richtige Weg.

SPD und CDU äußerten sich zurückhaltend. Der SPD-Innenpolitiker
Albrecht Pallas erinnerte an die aktuelle Lage. Es sei davon
auszugehen, dass die Infektionszahlen durch die neue
Coronavirus-Variante Omikron rasant steigen würden. Um die Menschen
zu schützen, müssten daher noch immer Kontakte reduziert werden. «Das

bedeutet auch, dass das Versammlungsrecht weiterhin eingeschränkt
werden muss. Das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit
hat an dieser Stelle Vorrang», sagte Pallas der dpa.

Ähnlich äußerte sich der CDU-Innenexperte Rico Anton: «Grundsätzl
ich
richtet sich die Zahl der zulässigen Versammlungsteilnehmer nach den
Erforderlichkeiten des Infektionsschutzes. Je niedriger die
Infektionszahlen und die Belastungen des Gesundheitssystems, desto
mehr Teilnehmer sind möglich. Aktuell haben wir es mit
Spontanversammlungen zu tun, bei denen das klassische Instrument der
Versammlungsauflagen nicht greift, weil es noch nicht einmal einen
verantwortlichen Versammlungsleiter gibt.»

«Wir Bündnisgrüne stehen seit Beginn der Pandemie für die Wahrung d
er
Verhältnismäßigkeit bei den notwendigen Einschränkungen. Das gilt
gerade auch beim für unsere Demokratie elementaren Grundrecht der
Versammlungsfreiheit», sagte der Innenpolitiker Valentin Lippmann.
Mit Blick auf die fortschreitende Dauer der massiven Einschränkung
von Versammlungen halte er eine Diskussion über eine moderate
Erhöhung der Teilnehmendenzahl für Versammlungen bei Einhaltung
strenger Hygienevorschriften für geboten.

Pallas stellte klar, dass das Versammlungs- und Meinungsfreiheit auch
in der Pandemie gilt: «Die Meinungen können weiterhin frei und
öffentlich kundgetan werden, im Rahmen und Einklang mit den
notwendigen Coronaschutz-Maßnahmen.» Die Gewerkschaft der Polizei in
Sachsen hatte mit Blick auf die massiven Corona-Proteste und
gesunkenen Infektionszahlen in der Vorwoche angeregt, Einschränkungen
des Versammlungsrechts aufzuheben.