Corona-Lage heizt politische Debatte an - Sondersitzung des Landtags

Zu zaghaft und zu spät - die SPD im Norden bescheinigt der
Jamaika-Regierung Inkonsequenz im Kampf gegen die Corona-Pandemie.
Die Infektionszahlen steigen mit der Omikron-Variante in ungekannte
Höhen. Zwei Werte lassen aber auch hoffen.

Kiel (dpa/lno) - Mit den hohen Corona-Zahlen infolge der rasanten
Ausbreitung der Omikron-Variante gewinnt in Schleswig-Holstein zu
Jahresbeginn auch die politische Debatte an Fahrt. Die SPD warf der
Landesregierung aus CDU, Grünen und FDP am Montag falsche
Entscheidungen sowie zu spätes und zögerliches Handeln vor. So habe
das Land seine gute Ausgangslage mit relativ wenigen Infektionen
verspielt und sei ein früher Omikron-Hotspot in Deutschland geworden,
erklärte SPD-Landes- und Fraktionschefin Serpil Midyatli.

Die Entwicklung erfährt in diesen Tagen eine neue Dynamik: Am
Dienstag treten einige Verschärfungen von Schutzmaßnahmen in Kraft,
am Freitag beraten die Länderchefs mit Kanzler Olaf Scholz (SPD) über
die Lage und am nächsten Montag wird der Landtag in einer
Sondersitzung eine Regierungserklärung von Ministerpräsident Daniel
Günther (CDU) hören und darüber debattieren.

Unterdessen haben die Infektionszahlen auch als Konsequenz aus
Ausbrüchen in Clubs neue Dimensionen erreicht. Nach Weihnachtspartys
in Diskotheken mit zahlreichen Corona-Infektionen waren mehrere
Tausend Besucher in Quarantäne geschickt worden. Mit zuletzt 244,3
Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner binnen sieben Tagen liegt das
Land mit den lange niedrigsten Zahlen in Deutschland nur noch im
Mittelfeld und über dem bundesweiten Durchschnitt. Das lange nur
wenig betroffene Dithmarschen rangiert mit über 600 unter den Top 3
der deutschen Landkreise. Am vergangenen Donnerstag wurden den
Gesundheitsämtern 1720 neue Fälle gemeldet - ein Spitzenwert.

Auf der anderen Seite erlebten die Krankenhäuser in der vergangenen
Woche keine dramatische Entwicklung. Die Zahl der dort behandelten
Covid-19-Fälle sank sogar leicht auf 163 und die der
Intensivpatienten blieb stabil bei 46. Auch die für Corona-Maßnahmen
wichtige Hospitalisierungsinzidenz - die Zahl der neuen
Corona-Klinikpatienten innerhalb einer Woche je 100 000 Menschen -
stagnierte bei 2,4. Sie blieb damit unter der für verschärfte
Maßnahmen geltende erste Stufe von 3,0.

Aus Sicht von SPD-Landes- und Fraktionschefin Midyatli hätte die
Landesregierung strengere Maßnahmen ergreifen können, als sie es tat.
«So hat der schleswig-holsteinische Sonderweg bei Clubs und
Diskotheken dafür gesorgt, dass Tausende Menschen in Quarantäne
mussten und Hunderte sich angesteckt haben.» Es sei absolut
unverständlich, dass Clubs auch nach dem 4. Januar geöffnet bleiben.

«Die Maßnahmen der Landesregierung in der vierten Corona-Welle kommen
zu zaghaft und zu spät», äußerte Midyatli. Der Verweis von
Ministerpräsident Günther auf den Bund sei ein Ablenkungsmanöver.
«Die Feststellung einer epidemischen Notlage von nationaler Tragweite
ist keine Voraussetzung für einen effektiven Infektionsschutz.»
Günther habe das Virus unterschätzt und dem Gesundheitsschutz nicht
den Vorrang eingeräumt.

Die SPD-Fraktion will die Feststellung der landesweiten epidemischen
Notlage nach dem Infektionsschutzgesetz im Landtag beantragen. Die
Nachbarländer Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern und Hamburg
hätten das schon getan, sagte Midyatli. Der Landtag in Kiel tritt am
nächsten Montag zu einer Sondersitzung zusammen. Von diesem Dienstag
an gelten einige verschärfte Maßnahmen besonders für Kontakte und
Veranstaltungen. Günther hat vom Bund gefordert, die epidemische Lage
nationaler Tragweite festzustellen. Anderenfalls will auch er den
Landtag um die Feststellung der epidemischen Lage für das Land
bitten.

Auf einige Verschärfungen hatten sich die Jamaika-Spitzen am Sonntag
geeinigt und dies am Montagabend offiziell beschlossen. So gelten ab
Dienstag die Kontaktbeschränkungen von maximal zehn Personen auch im
öffentlichen Raum. Bei Veranstaltungen wird die maximale
Teilnehmerzahl auf 50 in Innenbereichen und 100 Personen draußen
begrenzt. Ausgenommen sind dem Beschluss zufolge Veranstaltungen, bei
denen sich die Zuschauerinnen und Zuschauer überwiegend passiv
verhalten und feste Sitzplätze haben - etwa bei Konzerten, Vorträgen,
Lesungen, Theater- und Kinovorstellungen. Allerdings gelte dort eine
Maskenpflicht.

Tanzveranstaltungen müssen den zuständigen Behörden angezeigt werden,

sofern mehr als zehn Personen teilnehmen sollen. Diskotheken und
Clubs dürfen weiterhin unter den 2Gplus-Regeln samt Maskenpflicht
öffnen. Allerdings müsse der erforderliche Corona-Test nun ein
PCR-Test sein, der nicht älter als 24 Stunden sein dürfe. Auch hier
sei die Zahl der gleichzeitig anwesenden Gäste auf 50 begrenzt.

Etwa bei Gottesdiensten darf nun dem Beschluss zufolge nur dann von
den vorgeschriebenen Abständen im «Schachbrettmuster» und von der
Maskenpflicht abgewichen werden, wenn in Innenräumen maximal 50
Personen teilnehmen und diese 2G-Anforderungen erfüllen. Bei mehr
Teilnehmern gelten 2G und eine Maskenpflicht. Die Landesregierung
empfiehlt generell für alle Innenbereiche, in denen sich mehrere
Personen aus verschiedenen Haushalten aufhalten, das Tragen einer
Mund-Nasen-Bedeckung. In Einrichtungen der Pflege und der
Eingliederungshilfe gilt für Besucherinnen und Besucher eine
FFP2-Maskenpflicht.