Mehr Zugang für Blinde zu digitalen Welten Von Kristin Palitza, dpa

Informationen werden immer mehr durch Bilder, Grafiken und Videos
übermittelt. Sehgeschädigte bleiben davon oft ausgeschlossen.
Deutsche Wissenschaftler arbeiten an einer Technologie, die ihnen den
Zugang zu digitalen Welten erleichtern soll.

Kapstadt/Freiburg (dpa) - Gadija Gonsalwes will Jura studieren. Ihre
Schulnoten sind top, ein Studienplatz so gut wie sicher. Doch ob die
18-jährige Südafrikanerin jemals als Anwältin arbeiten können wird,

ist ungewiss. Denn Gonsalwes ist blind. Sie kommt aus einer
mittellosen Familie und hat kaum Zugang zu Technologie, die
Sehgeschädigten den Zugang in digitale Welten ermöglicht.  

Selbst im wohl fortschrittlichsten Land Afrikas - Südafrika - haben
Menschen mit Sehbehinderungen kaum IT-Ausstattung. Von staatlicher
Seite gibt es nur wenig finanzielle Unterstützung. Gonsalwes und ihre
Mitschüler an der Athlone Blindenschule nahe der Touristenmetropole
Kapstadt lernen hauptsächlich mit einfachen Braille-Schreibmaschinen.
Für 322 Schüler gibt es lediglich 15 speziell ausgestattete PCs und
Laptops mit Sprachsoftware. Von der Welt des Internets, in der
Informationen zunehmend durch Bilder, Grafiken und Videos vermittelt
werden, sind die Schüler isoliert. «Mit der Technologie, die wir
momentan haben, können wir nur Basiswissen übermitteln», sagt
Schuldirektor John Philander zum Welt-Braille-Tag am 4. Januar.
Wissenschaftliche Fächer könnten kaum gelehrt werden.

Gonsalwes träumt von einer Karriere und einer Zukunft, in der sie ein
unabhängiges Leben führen kann. Doch nur drei Prozent der
Sehgeschädigten in Südafrika finden nach Angaben des Südafrikanischen

Blindenrats einen Arbeitsplatz. In anderen Ländern des Kontinents
sind es sogar noch weniger. Im Vergleich dazu ist in Deutschland laut
einer Umfrage des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbands die
Mehrheit der Sehgeschädigten erwerbstätig.

Nach Angaben des Fachmagazins «The Lancet Global Health» gab es 2020
weltweit mehr als 300 Millionen schwer sehgeschädigte und blinde
Menschen. Die zunehmende Informationsvermittlung über das Internet
stelle sie vor große Probleme, hieß es. Technologie, die
Informationen für Sehgeschädigte nutzbar macht, ist für viele
unerschwinglich. So haben Unternehmen Monitore entwickelt, die
zumindest einfache Grafiken in der Blindenschrift Braille darstellen
können - die großen, schweren Geräte können aber mehrere Zehntausen
d
Euro kosten.

Ein Team deutscher Wissenschaftler arbeitet daran, das zu ändern.
«Dafür muss es doch eine kostengünstige Lösung geben», habe sie s
ich
gedacht, so erzählt die Karlsruher Maschinenbauingenieurin Elisabeth
Wilhelm. Im Rahmen ihrer Dissertation entwickelte sie einen Prototyp
für einen handlichen Monitor, der Computerbilder und -grafiken in
ertastbare Braille-Muster umwandelt. Ihr Ziel sei es gewesen, ein
leichtes und mobil nutzbares Gerät in Din-A4-Größe zu schaffen, das
um die 3000 Euro kostet und für den Aufbau von Bildern höchstens zehn
Sekunden benötigt, erklärt die heute 34-Jährige.

Der Prototyp, für den Wilhelm 2016 den Deutschen Studienpreis der
Körber-Stiftung erhielt, war ein Modul von etwa Handygröße mit 300
erstastbaren Punkten. «Der Prototyp hat gezeigt, dass es
funktioniert, aber es muss noch weitergeforscht werden», sagt
Wilhelm. Daran arbeitet nun ein Team um Bastian Rapp an der
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg. «Wir sind in ersten Vorstudien,
auch bereits mit Sehbehinderten in der Erprobung», sagt Rapp. Der
nächste Schritt sei eine größere Studie in der Hoffnung, erste
Kleinserien des Geräts bis Ende 2023 auf den Markt bringen zu können.

Gonsalwes und ihre 22 Jahre alte Schulfreundin Avril Wessels
unterdessen würden gern wie andere junge Frauen YouTube schauen oder
durch Instagram scrollen. Vor allem aber schwärmen sie vom
aufregenden Leben an der Uni und ihren Plänen für die berufliche
Zukunft. Tief im Herzen ist ihnen jedoch klar: Es könnte ein Traum
bleiben.