«Sozialer Drang» - Joachim Gerhardys Kampf gegen die Pandemie Von Mia Bucher, dpa

Seit elf Monaten ist Joachim Gerhardy fast rund um die Uhr als
ehrenamtlicher Impfhelfer im Einsatz. Seine Familie sieht er deswegen
kaum noch. Aufhören kommt für den Rentner aus Hannover nicht in
Frage.

Hannover (dpa/lni) - Wenn der achtjährige Elias seinen Opa sehen
will, muss er ihn im Impfzentrum am Zoo oder beim Impfen in einem
Gemeindehaus in Hannover besuchen. Seit elf Monaten hat die Familie
von Joachim Gerhardy nur wenig von ihrem Vater und Großvater. «Wir
stellen uns in der Schlange an, um ihn überhaupt zu sehen», sagt
seine Tochter Gesa Gerhardy-Schymietz halb im Scherz. Ihr Vater hat
sich ganz der Bekämpfung der Corona-Pandemie verschrieben. Seit
Februar zieht der 65-Jährige als ehrenamtlicher Impfhelfer Spritzen
auf, desinfiziert Oberarme, spritzt Vakzine und legt Pflaster auf.

«Andere sagen über mich, dass ich einer der zügigsten und schnellsten

Aufzieher und Impfer bin», sagt der Rentner. Gerhardy bietet sofort
das Du an und wird von allen nur Achim genannt. Im April impfte
Gerhardy sogar den niedersächsischen Ministerpräsidenten Stephan Weil
(SPD).

In Niedersachsen gibt es ungefähr 200 mobile Impfteams. Sie sollen
gerade an den Tagen bis Silvester Menschen gegen das Virus
immunisieren. Für die Johanniter-Unfall-Hilfe, zu der Gerhardy
gehört, sind in Niedersachsen und Bremen eigenen Angaben zufolge etwa
50 Teams unterwegs.

Wie viele Impfhelfer ehrenamtlich im Einsatz sind, ist demnach schwer
zu beziffern. Sie seien neben den Hauptamtlichen unverzichtbar in der
Pandemiebekämpfung, sagt Jan Klaassen, Sprecher der
Hilfsorganisation. Es gebe viele, die hochengagiert seien, jedoch
nicht ganz so viele, die sich der Sache so intensiv widmeten wie
Gerhardy. Bei den älteren Impfhelfern sei von Vorteil, dass sie viel
Lebenserfahrung mitbrächten und teilweise auch über medizinisches
Fachwissen verfügten.

«Er ist sehr engagiert», sagt auch der Arzt Cengiz Akti über
Gerhardy. Akti führt die Aufklärungsgespräche im Gemeindehaus der
Tituskirche. Gerhardy wohnt nur einen Katzensprung von der Kirche
entfernt. Er wuchs in schwierigen sozioökonomischen Bedingungen auf
und hatte schon immer einen «sozialen Drang», wie er selbst sagt. Er
studierte nicht nur Lehramt, sondern absolvierte auch eine Ausbildung
zum Industriekaufmann, zum Rettungsassistenten und zum Skilehrer.

In Hochzeiten arbeitet Gerhardy, der die Pandemie so gerne wegimpfen
würde, fünf Tage die Woche. Geld möchte er auf eigenen Wunsch nicht
annehmen, obwohl die Johanniter ihm eine bezahlte Stelle angeboten
haben. «Ich finde es einfach schön, etwas für Menschen zu tun», sag
t
er. Von Februar bis September koordinierte der 65-Jährige die
Impfzüge des Impfzentrums auf dem Messegelände Hannover und impfte
auch selbst. Im November stieg er in ein mobiles Impfteam ein.

Seit Anfang Dezember steht der ehemalige Lehrer jede Woche mit
knallorangenen Hosen und grauer Fleecejacke im Gemeindehaus und
spritzt von 9 bis 14 Uhr Erst-, Zweit- und Booster-Impfungen.
Nachmittags geht es dann oft bis spät abends im Impfzentrum am Zoo
weiter. «Mein Name ist Joachim Gerhardy und ich werde sie jetzt
impfen», begrüßt er jeden Impfling freundlich. Angst, dass er sich
infizieren könne, habe er dennoch täglich. Als über 60-Jähriger
gehört er zur sogenannten Corona-Risikogruppe. An seinem Engagement
ändert das nichts. Sehr schnell habe er sich gegen das Virus impfen
lassen, betont Gerhardy.

Erst neulich habe er drei Obdachlose, die zur kostenlosen
Essenausgabe an die Kirche gekommen seien, für die Impfung gewinnen
können. «Da hat sich der Tag schon gelohnt», sagt er. Für jeden
Impfwilligen, der sich zu ihm hinter die blaue Trennwand setzt, hat
der Impfhelfer ein nettes Wort übrig. Er lobt, beschwichtig und
spricht gut zu - ganz gleich, wer zu ihm kommt.

Dass der Rentner aufgrund seines «Helfersyndroms», wie er es selbst
nennt, kaum Zeit für seine zwei Kinder und vier Enkel hat, nimmt er
in Kauf. «Es gibt vielleicht nicht so viele, die so einen Tick haben
wie ich. Ich brauche das vielleicht», sagt er.

Auf Joachim Gerhardy können die Johanniter weiterhin zählen. Auch
wenn ihn das selbstauferlegte Arbeitspensum durchaus zu schaffen
macht. «Heute Morgen wäre ich auch gerne liegengeblieben», gesteht
er. Dass sein Engagement überdurchschnittlich hoch ist, weist er von
sich: «Ich habe keinen Heiligenschein.» Doch wenn rückblickend auf
sein Leben etwas von ihm bleibe, dann hoffentlich der
Pandemiebekämpfer in vollem Einsatz, sagt er lachend.

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