Raucheranteil steigt wieder - eine Corona-Folge? Von Gregor Tholl, dpa
Im Vergleich zu anderen Ländern ist Deutschland immer noch ein
Aschenbecher. Es wird mehr geraucht als anderswo. Und die Tendenz sei
Ende 2021 sogar wieder steigend, sagen Forscher.
Düsseldorf (dpa) - Der Anteil der Raucher in Deutschland steigt
wieder. Er liegt derzeit bei fast 31 Prozent unter den Menschen ab 14
Jahren, wie aus der repräsentativen Langzeitstudie «Deutsche
Befragung zum Rauchverhalten» (Debra) hervorgeht. Ende 2019 - vor der
Corona-Pandemie - lag der Anteil der Raucherinnen und Raucher in der
Bevölkerung ab 14 noch bei etwa 27 Prozent, vor einem Jahr bei etwa
27,5 Prozent. Am 1. Januar 2022 gibt es erstmals seit sieben Jahren
wieder eine Tabaksteuererhöhung in der Bundesrepublik.
Wahrscheinlich seien im letzten Jahr mehr frische Ex-Raucher
rückfällig geworden, sagt der Suchtforscher und Debra-Leiter Daniel
Kotz der Deutschen Presse-Agentur. «Ob Corona-Stress oder allgemein
Auswirkungen der Pandemie da jetzt hineinspielen, ist ein bisschen
spekulativ, kann aber sein.» Denkbar ist etwa auch, dass Leute im
Homeoffice ungehemmter zur Zigarette greifen als im normalen Büro.
Auch schon vor Corona habe man eine rückläufige Motivation in
Deutschland beobachten können, mit dem Rauchen aufzuhören, erläutert
der Epidemiologe Kotz, Leiter des Sucht-Forschungsschwerpunktes am
Centre for Health and Society (chs) der Uni-Klinik Düsseldorf. Auch
die sogenannte Rauchstoppversuchsrate sei rückläufig. Allerdings gebe
es einen klaren Trend bei Jugendlichen, gar nicht erst anzufangen.
Zur Einordnung der deutschen Raucherquote verweist Kotz auf
Großbritannien, wo es eine gut vergleichbare Studie gebe. Dort sinke
der Raucheranteil seit Jahren kontinuierlich, er liege derzeit bei
etwa 15 Prozent. Zum Vergleich: In England kostet eine Schachtel
Markenzigaretten umgerechnet etwa 13 Euro und damit fast doppelt so
viel wie in Deutschland.
Deutschland kann ob seines Raucheranteils und vergleichsweise
niedriger Preise für Zigaretten nach wie vor als Raucherparadies und
Tabakland bezeichnet werden. In Nachbarländern wie der Schweiz, in
Frankreich, Belgien, den Niederlanden und Dänemark sind Zigaretten
teurer. Allerdings sind sie in vielen EU-Ländern auch billiger,
darunter Österreich, Spanien, Italien, Polen und Tschechien.
In Deutschland steigt die Steuer für eine Packung mit 20 Zigaretten
im neuen Jahr um durchschnittlich 10 Cent. 2023 werden weitere 10
Cent aufgeschlagen, in den Jahren 2025 und 2026 kommen noch einmal
jeweils 15 Cent pro Packung hinzu.
Am 1. Januar 2022 tritt zudem das Tabaksteuermodernisierungsgesetz in
Kraft. Auch Wasserpfeifentabak und erhitzter Tabak, die beide bislang
niedriger - nämlich wie Pfeifentabak - besteuert worden sind, werden
damit höher besteuert. Auch bei den Liquids für E-Zigaretten wird an
der Steuerschraube gedreht - jedoch erst ab 1. Juli 2022.
Die Tabaksteuer ist für den Staat eine wichtige Geldquelle: Im
vergangenen Jahr nahm der Fiskus damit fast 15 Milliarden Euro ein.
Dass der Staat auch beim erhitzten Tabak stärker zur Kasse bitten
will, überrascht nicht. Der Markt wächst. Bei sogenannten
Heat-not-Burn-Produkten handelt es sich um elektronische Heizstifte,
in denen speziell verarbeiteter Tabak auf ein paar Hundert Grad
erhitzt wird, ohne dass Asche und Zigarettenrauchgeruch entstehen.
Nutzer ziehen an den Geräten wie an einer herkömmlichen Zigarette.
Den Anfang auf diesem neuen Markt machte hierzulande vor einigen
Jahren der Konzern Philip Morris (Marlboro, L&M, Chesterfield) mit
seinem System «Iqos» und den dazugehörenden «Heets». Inzwischen s
ind
vergleichbare Produkte wie beispielsweise «Glo» von British American
Tobacco (Lucky Strike, Pall Mall, HB, Dunhill) auf dem Markt. Nach
Zahlen der Debra-Studie haben bislang mehr als 5 Prozent der Menschen
in Deutschland Heat-not-Burn-Produkte ausprobiert.
Angaben eines Sprechers von Philip Morris zufolge gibt es allein in
Deutschland inzwischen etwa 500 000 Iqos-Nutzer bei insgesamt etwa 22
Millionen Rauchern. Der Anteil im kombinierten Markt von Zigaretten
und Erhitzter-Tabak-Produkten liege inzwischen bei 3 Prozent (Anteil
gemessen nach Absatz in Stück).
Bei Tabakerhitzern entstehen Aerosole mit weniger schädlichen
Schadstoffen als im Rauch normaler Zigaretten. Das zeigen Studien,
darunter viele anbieterfinanzierte.
Der Konzern Philip Morris wünscht sich von Staats wegen mehr
steuerliche Lenkungswirkung auf seine Zigaretten-Alternative. Andere
EU-Länder machten dies, Deutschland weniger. Gemessen an Zigaretten
werde erhitzter Tabak «im EU-Durchschnitt mit circa 30 Prozent
besteuert und in Deutschland mit 80 Prozent», sagt Deutschlandchef
Markus Essing.
Studien zufolge gehen nach wie vor etwa 13 Prozent der Mortalität in
Deutschland auf das Tabakrauchen zurück, wobei sich ein gutes Viertel
dieser Todesfälle noch im Erwerbsalter ereignet. Jährlich sterben in
Deutschland ungefähr 125 000 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum.
Das sind mehr Rauchertote in einem Jahr als Todesfälle im
Zusammenhang mit dem Coronavirus nach fast zwei Jahren.
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