Abbruch und Aufbruch am letzten Tag der Impfzentren Von Florentine Dame und Volker Danisch, dpa
In den letzten Impfzentren sind die Lichter aus. Sie waren im
Eiltempo beispielsweise in Messehallen, am Flugplatz oder am Stadion
errichtet worden. Die Impfangebote sollten noch näher an die Menschen
ran. Das Konzept Impfzentrum gehört aber nicht in den Papierkorb.
Bochum/Düsseldorf (dpa/lnw) - Mit dem Pieks in den Arm des
100-jährigen Heinz Jacoby endet ein Kapitel der Pandemiebekämpfung:
Der Bochumer erhielt die allerletzte Dosis im Impfzentrum seiner
Stadt, ehe es nach knapp acht Monaten am Donnerstag endgültig
geschlossen wurde. «Sie sollten sich impfen lassen. Denn es schadet
nichts», lautet seine Botschaft an alle, die bislang noch zögern.
Jacoby erhielt in Begleitung seiner Tochter eine
Auffrischungsimpfung. Er war auch derjenige, der im Februar in dem
Impfzentrum die erste Spritze bekam. Bochum gehört zu den letzten der
ursprünglich 53 Corona-Impfzentren in Nordrhein-Westfalen, die zum
Monatsende den Betrieb einstellten.
«Sie alle haben Geschichte geschrieben.» Mit diesen Worten bedankte
sich Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) in einer Mitteilung
bei den vielen Tausend kommunalen Mitarbeitern, freiwilligen Helfern
und Ärzten, die die Impfzentren im Dezember beinahe über Nacht
aufbauten und die insgesamt 13,1 Millionen Corona-Schutzimpfungen
dort seit dem 8. Februar möglich machten. Nach dem Konzept der
Landesregierung werden die Corona-Impfungen ab Freitag überwiegend
von den niedergelassenen Ärzten und Betriebsärzten übernommen. Zudem
sollen verstärkt mobile Impfteams unterwegs sein. Land und Kommunen
betonen, das Ende der Impfzentren ist nicht das Ende der Impfungen.
Mit den vielen freiwilligen Helfern stärkten die Impfzentren nach
Ansicht des Kölner Psychologen und Marktforschers Stephan Grünewald
in einer schwierigen Phase der Pandemie das Kollektivgefühl nach dem
Motto: «Wir bieten gemeinsam dem Virus Paroli». Angesichts knapper
Impfstoffmengen sei es fast schon ein Ritterschlag gewesen, dort an
die Reihe zu kommen, sagte er mit Blick auf die Impfphase mit den
priorisierten Berufsgruppen. «Das Impfzentrum ist ein Auslaufmodell
geworden, weil es jetzt die Aufgabe gibt, die Unentschiedenen, die
nicht notorische Verweigerer sind, zu gewinnen.» Das für einen
Massenbetrieb konzipierte Impfzentrum könne bei Unentschlossenen eine
Schwellenangst hervorrufen, man gerate in eine anonyme Maschinerie.
Der Abschied vom Impfzentrum ist auch ein klarer Schritt in Richtung
des Lebens, das man vor der Pandemie kannte, wie in Bochum bei aller
Wehmut und Stolz auf eine tolle Teamleistung zu hören ist. «Das
Impfzentrum war Mittel dafür, dass wir endlich wieder das tun können,
was wir eigentlich tun: Wir sind hier um Menschen zusammenzubringen
und ihnen schöne Veranstaltungen zu bieten», sagt Janina Schulzki,
Sprecherin des Ruhr-Congress. Etwa drei Tage werde es dauern, die
Impf-Infrastruktur in der großen Halle des Bochumer Veranstaltungs-
und Messegebäude abzubauen. Dann starten Vorbereitungen für die erste
Publikumsveranstaltung seit Monaten: Am 13. Oktober soll Sängerin
Patricia Kelly dort ein Konzert geben, wo die Impfstraßen standen.
Die Corona-Situation ist nach dem kräftig Anstieg der Neuinfektionen
zum Ende der Sommerferien inzwischen wieder entspannter. Das Land
lockert die Schutzmaßnahmen. Es werden keine besonderen Abstände mehr
in der Gastronomie vorgeschrieben und mehr Zuschauer bei
Großveranstaltungen zugelassen. Nach Ansicht des Städtetages NRW
steht die Bewährungsprobe für die geänderte Impfstrategie des Landes
allerdings noch aus. Im Herbst und Winter, wenn Erkältungszeit und
Grippeimpfungen anstünden, dürfe die Impfkampagne nicht ins Stocken
geraten. «Vielleicht wäre es klüger gewesen, einige Impfzentren als
Backup weiterzuführen?», gab Geschäftsführer Helmut Dedy bereits zu
Bedenken. In einigen Städten bleiben kleine stationäre Impfangebote.
Die Arztpraxen werden durch den Wegfall der Corona-Impfzenten nicht
überfordert, meint der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen
Vereinigung Nordrhein, Frank Bergmann. Er verweist darauf, dass
bereits mehr als zwei Drittel der Bevölkerung vollständig geimpft sei
und auch bei den Ärzten die Nachfrage nachgelassen habe. Inzwischen
gebe es auch zahlreiche Corona-Auffrischungsimpfungen. «Das werden
die Praxen sehr gut schaffen.» Das Impfen gehöre zur Routine in den
Praxen. Auch der jüngste Anstieg von Erkältungskrankheiten sei ein
normales saisonales Geschehen in den Herbst- und Wintermonaten.
«Wir werden mit diesem Virus leben müssen, dieses Virus wird im März
nicht weg sein, weil es keine Herdenimmunität gibt», mahnt Eugen
Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz. In NRW
würden es vermutlich Millionen Menschen sein, die keinen festen
Hausarzt hätten. Deshalb seien niederschwellige Angebote am Bahnhof,
vor dem Stadion, vor dem Baumarkt oder auch am Theater so wichtig.
Für Grünewald, der Leiter des Kölner Rheingold-Institutes, ist das
Konzept Impfzentrum kein Fall für den Papierkorb. Man könnte auf die
Erfahrungen zurückgreifen, sollte es wieder einmal erforderlich
werden. «Das Impfzentrum ist so etwas wie ein schlafender Riese.»
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