Brutales Aufnahmeritual mit Todesfolge - Prozessbeginn in Belgien Von Felix Schröder, dpa

Das brutale Aufnahmeritual einer Studentenverbindung in Belgien führt
zum Tod eines Studenten. Nun beginnt der Prozess zu einem Fall, der
auch eine Debatte über Rassismus in dem Land ausgelöst hatte.

Hasselt (dpa) - Ein 20-Jähriger bewirbt sich bei einer belgischen
Studentenverbindung. Bei einem grausamen Aufnahmeritual muss der
junge Mann laut Medienberichten Unmengen an Alkohol und Fischöl
trinken, auf ihn wird uriniert, und er muss stundenlang in kaltem
Wasser ausharren. Der Körper des Studenten hält die Strapazen nicht
aus: Im Krankenhaus stirbt er.

18 Männer müssen sich nun vor dem Landgericht Hasselt unter anderem
wegen fahrlässiger Tötung, unterlassener Hilfeleistung und der
Verabreichung schädlicher und tödlicher Substanzen verantworten, wie
eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft mitteilte. Am Freitag begann
die Verhandlung. Über die strafrechtliche Dimension hinaus hatte der
Fall in Belgien auch eine Debatte über Rassismus ausgelöst: Das Opfer
war schwarz und wollte in einer elitären weißen Verbindung mitmachen.

Zum Auftakt der Verhandlung verständigte sich das Landgericht nun
darauf, im Oktober die ersten Zeugen, Experten und Gerichtsmediziner
zu hören, wie eine Sprecherin mitteilte. Mitglieder der Verbindung
und ihre Anwälte werden demnach im April 2022 befragt. Belgischen
Medien zufolge drohen den Angeklagten Freiheitsstrafen von bis zu 15
Jahren.

Die Studentenverbindung «Reuzegom» aus der Universitätsstadt Löwen

östlich von Brüssel hatte das Aufnahmeritual am 5. Dezember 2018
organisiert. Unter den Mitgliedern wurde es als «Taufveranstaltung»
bezeichnet, an der neben dem 20-Jährigen auch zwei weitere Neulinge
teilnahmen. Sie wollten Teil der prestigeträchtigen Verbindung werden
- doch dafür mussten sie Fürchterliches über sich ergehen lassen.

Das 20-jährige Opfer musste Unmengen Alkohol trinken. Wie belgische
Medien schreiben, wurden die drei Anwärter von den älteren
«Reuzegom»-Mitgliedern mehrfach angepinkelt. Nachts sei der
Wasserhahn im Zimmer des Opfers abgestellt worden, damit er nicht
gegen seinen Alkohol-Kater antrinken konnte.

Am Tag sollen weitere Strapazen gefolgt sein: Nach Informationen der
belgischen Zeitung «De Standaard» musste das Opfer bei
Außentemperaturen von sechs Grad mit seinen beiden Mitstreitern halb
nackt in einer mit Wasser befüllten Grube verharren. Den jungen
Männern seien dabei Fragen gestellt worden. Bei einer richtigen
Antwort gab es Wasser - bei einer falschen mussten sie unappetitliche
Lebensmittel verspeisen, etwa Unmengen an Fischöl. Einem lebenden Aal
musste der 20-Jährige demnach den Kopf abbeißen. Deshalb müssen sich

die Mitglieder der Verbindung vor Gericht auch wegen des Verstoßes
gegen das Tierschutzrecht verantworten.

Der Gesundheitszustand des jungen Mannes verschlechterte sich
zunehmend, wie «De Standaard» berichtet. Am Abend des zweiten Tages
wurde er bewusstlos und unterkühlt ins Krankenhaus gebracht. Seine
Körpertemperatur war nach Angaben der Zeitung auf 27,2 Grad gesunken
- ein lebensbedrohlicher Zustand. Am 7. Dezember 2018 starb er an den
Folgen der Tortur - mehrere Organe hatten versagt.

Der Fall löste in Belgien und darüber hinaus Bestürzung und Debatten

aus, Schüler hielten Mahnwachen. Die «New York Times» schrieb von
einem zunehmenden Rechtsruck und rassistischen Tendenzen in der
belgischen Region Flandern, in der die Verbindung beheimatet war.
Später tauchten Videos, Bilder und Chat-Verläufe auf, die Mitglieder
bei rassistischen Gesängen und Äußerungen zeigen sollen.

2019 warnten UN-Menschenrechtsexperten in einem Bericht, dass Bürger
afrikanischer Herkunft in Belgien immer noch Rassismus und
Diskriminierung erlebten. Es sei bewiesen, dass dies auch in
belgischen Institutionen verbreitet sei.

Die Universität in Löwen zeigte sich nach dem Tod des Studenten «tief

erschüttert». Anfang 2019 leitete sie Disziplinarverfahren gegen
einige Studenten ein. Sieben seien für mehrere Jahre von der
Hochschule verwiesen worden, einige für immer, teilte die Uni mit.
Die Studentenverbindung löste sich nach dem skrupellosen Ritual auf.