Lehrerverband: «Freedom Day» an Schulen nicht vor Februar

Die Sommerferien sind abgehakt. In allen Bundesländern ist wieder
Schule. Wird es das dritte Corona-Schuljahr in Folge?
Bildungsverbände und Schülervertreter sehen noch einen langen Weg bis
zur Normalität. Politik und Behörden verteidigen die Einschränkungen.


Berlin (dpa) - Während Corona-Maßnahmen in vielen Lebensbereichen
immer mehr gelockert werden, müssen Kinder, Jugendliche und
Lehrkräfte nach Einschätzung des Deutschen Lehrerverbands wohl noch
Monate mit Einschränkungen wie Masken, Tests und Abstandsregeln
zurechtkommen. Den «Freedom Day» für Schulen sehe man frühestens ab

etwa Februar 2022 als wahrscheinlich und möglich an, sagte der
Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, der
Deutschen Presse-Agentur. Der Begriff «Freedom Day» stammt aus
England, wo am 19. Juli die Corona-Maßnahmen weitgehend aufgehoben
wurden.

Auch die Bildungsgewerkschaften GEW und VBE, die Hunderttausende
Lehrkräfte in Deutschland vertreten, sehen die Schulen im neuen
Schuljahr, das nun überall in Deutschland läuft, noch weit von einer
Normalität wie vor Corona entfernt. Die Bundesschülerkonferenz
befürchtet erneut einen Herbst und Winter, in dem Schülerinnen und
Schüler wegen der Lüftungsvorgaben frierend mit Winterjacke im
Klassenzimmer sitzen.

Auch Gerichte beschäftigen sich weiterhin mit dem Thema. Wie der
Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg am Donnerstag
mitteilte, wurde der Eilantrag einer Fünftklässlerin aus dem
Neckar-Odenwald-Kreis gegen die Masken- und Testpflicht als
unbegründet abgelehnt. Die Maskenpflicht diene dem legitimen Zweck,
das Leben und die körperliche Unversehrtheit der Schülerinnen und
Schüler sowie einer potenziell sehr großen Zahl von Menschen zu
schützen.

Der Hamburger Senat antwortete bei Twitter auf Fragen zu einem Ende
der Maskenpflicht an Schulen: «Die Maskenpflicht wird dort
aufgehoben, wo alle geimpft sind.» An Schulen sei das nicht der Fall,
da es für unter Zwölfjährige noch keinen Impfstoff gebe. Mit der
Zulassung eines Corona-Impfstoffs für Kinder unter zwölf Jahren
rechnet Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) in den ersten drei
Monaten des kommenden Jahres.

Niedersachsens Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) verteidigte
die Maßnahmen an Schulen ebenfalls mit Verweis auf die fehlende
Impfmöglichkeit für Kinder und widersprach kritischen Äußerungen vo
n
Altbundespräsident Christian Wulff. Sicherheitsmaßnahmen zur
Absicherung des Präsenzunterrichts seien nach wie vor notwendig,
sagte Tonne der «Hannoverschen Allgemeinen Zeitung». Wulff hatte
zuvor gesagt: «Die Schulen sind strenger geregelt als die
Erwachsenenwelt - das ist empörend.»

Die Landesregierung von Schleswig-Holstein stellte Schülerinnen und
Schülern im Norden unterdessen ein Ende der Maskenpflicht in
Aussicht. «Unser gemeinsames Ziel ist Stand heute, dass wir diese
Pflicht Ende Oktober auslaufen lassen werden», sagte
Gesundheitsminister Heiner Garg (FDP) am Donnerstag.

Von einer Normalisierung des Schulalltags sei man noch weit entfernt,
sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze der dpa. «Es bleibt
schwierig, einerseits eine gute Beziehungsarbeit aufzubauen, die für
das soziale Miteinander unerlässlich und Grundlage des gemeinsamen
Lernens ist, wenn andererseits aus guten Gründen Abstandsregeln und
Hygienemaßnahmen einzuhalten sind.»

An einen Schulalltag wie vor Corona sei weiter nicht zu denken, sagte
der VBE-Vorsitzende Udo Beckmann. «Dafür nimmt das Testen,
Abstandhalten und die Unterbrechung durch das ständige Lüften weiter
zu viel Platz ein. Vielerorts kann zudem das, was kindgerechte Schule
ausmacht, das Lernen in wechselnden Gruppen und an Projekten, nicht
umgesetzt werden.»

Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, sieht zwar
inzwischen deutlich mehr Normalität an den Schulen als noch vor den
Sommerferien. «Es ist trotzdem ein Corona-Schuljahr bis jetzt.»
Schramm wies etwa auf Quarantäne-Anordnungen bei Schülern hin.
Außerdem werde es zunehmend kälter. «Wir erleben jetzt wieder immer
mehr die Situation mit Winterjacke im Unterricht.» Der
Schülervertreter kritisierte, es gebe immer noch zu wenig Luftfilter.
Damit könnte man das Lüften besser regulieren und «ein wenig dieses
Frieren der Schülerinnen und Schüler abwenden».

Lehrerverbands-Chef Meidinger sagte, er hoffe auf eine baldige
Möglichkeit zur Impfung für Kinder unter zwölf Jahren. «In dem
Augenblick, wo alle Schülerinnen und Schüler ein Impfangebot erhalten
haben und wahrnehmen konnten, ist an den Schulen die weitgehende
Aufhebung von Gesundheitsschutzmaßnahmen wie etwa der Maskenpflicht
möglich und auch verantwortbar.» Ab diesem Zeitpunkt falle die
Verantwortung für eine Erkrankung von Nichtgeimpften in den privaten
persönlichen Verantwortungsbereich jedes Einzelnen.