Ungeimpfte bekommen Quarantäne und Tests im Geldbeutel zu spüren Von Sascha Meyer, Jörg Ratzsch und Marco Hadem, dpa

Für Menschen, die sich nicht gegen das Coronavirus impfen lassen
wollen, wird der Alltag bald schwieriger. Das gilt auch finanziell -
beim schnellen Testen und dazu nun noch bei möglichen Lohneinbußen.

Berlin/München (dpa) - In der Corona-Krise müssen sich Nicht-Geimpfte
im Herbst auf mehr finanzielle Erschwernisse gefasst machen. Für
Verdienstausfälle wegen einer angeordneten Quarantäne soll es für die

meisten spätestens ab 1. November keine Entschädigung mehr geben. Das
beschlossen die Gesundheitsminister von Bund und Ländern mehrheitlich
bei Beratungen am Mittwoch. Greifen soll dies für alle, für die es
eine Impfempfehlung gibt und die sich auch impfen lassen können. Ab
11. Oktober müssen Schnelltests, die etwa beim Zugang zu Restaurants
oder Veranstaltungen zu nutzen sind, meist selbst bezahlt werden. Aus
Gewerkschaften, von Patientenschützern und der Opposition kam Kritik.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte in Berlin, es gehe
nicht um Druck, sondern auch um Fairness. Diejenigen, die sich und
andere durch eine Impfung schützten, hätten die berechtigte Frage,
warum sie für andere, die nicht geimpft seien, mitzahlen. Der
Vorsitzende der Länderminister, Klaus Holetschek aus Bayern, sprach
von einem Zeichen, dass auch Ungeimpfte im Kampf gegen die Pandemie
Verantwortung übernehmen müssten. Wer eine Impfung aus welchen
nicht-medizinischen Gründen auch immer ablehne, könne nicht von der
Gemeinschaft erwarten, dass sie für Verdienstausfall aufkomme. «Das
wäre unsolidarisch», sagte der CSU-Politiker.

Bei den Beratungen ging es um eine einheitliche Linie. Erste Länder
hatten bereits zuvor entschieden, dass Nicht-Geimpfte bald keinen
Entschädigungsanspruch mehr haben sollen. Dies sieht das bestehende
Bundesinfektionsschutzgesetz schon vor, wenn eine Absonderung hätte
vermieden werden können, indem man eine empfohlene Impfung in
Anspruch nimmt. Da inzwischen ausreichend Impfstoff da ist, soll dies
nun auch umgesetzt werden. Die Einzelheiten regeln die Länder selbst.
Bremen und Thüringen enthielten sich bei der Abstimmung.

Konkret geht es um Nicht-Geimpfte, für die als Kontaktpersonen von
Corona-Infizierten oder Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet im
Ausland ein Tätigkeitsverbot oder eine Quarantäne angeordnet wird.
Die Länder wollen ihnen nun keine Entschädigung für Verdienstausfäl
le
mehr zahlen, wenn sie keine vollständige Impfung haben, obwohl für
sie eine Impfempfehlung vorliegt. Für vollständig Geimpfte gelten in
der Regel keine Quarantäne-Anordnungen.

Weiterhin gezahlt werden sollen Entschädigungen laut dem Beschluss
aber unter anderem, sofern «eine medizinische Kontraindikation» gegen
eine Corona-Impfung durch ärztliches Attest bestätigt wird. Generell
haben Beschäftigte, die wegen einer Quarantäne-Anordnung zu Hause
bleiben müssen, in den ersten sechs Wochen Anspruch auf Lohnersatz
durch den Staat in voller Höhe, ab der siebten Woche von 67 Prozent.
Dabei bekommt man das Geld zunächst weiter vom Arbeitgeber, der es
sich bei der zuständigen Behörde erstatten lassen muss. Unabhängig
davon haben alle Beschäftigten Anspruch auf Lohnfortzahlung durch den
Arbeitgeber bei Krankheit, also wenn man sich mit Corona infiziert.

Wie Spahn erläuterte, wurde das Datum 1. November gewählt, damit auch
Menschen, die sich jetzt noch für Impfungen entscheiden, Zeit bleibt
- und sie nicht von der Regelung betroffen sind. Thüringens
Ministerin Heike Werner (Linke) sagte, sie hätte sich einen späteren
Zeitpunkt gewünscht, um noch mehr Menschen durch Aufklärung und die
richtigen Argumente von einer Impfung überzeugen zu können».

Die IG Metall erklärte, Impfen laute das Gebot der Stunde. «Aber den
Konflikt um Impfungen in die Betriebe zu verlagern und so die
Belegschaften zu spalten war, ist und bleibt falsch», sagte
Vorstandsmitglied Hans-Jürgen Urban. Der Vorstand der Deutschen
Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, die Entscheidung
habe «Tür und Tor geöffnet, dass gesellschaftliche Mehrheiten über

individuelle Ansprüche der Grundversorgung entscheiden».

SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach erklärte: «Natürlich kann man

versuchen, so auf Ungeimpfte Druck zu machen». Es könne aber
bedeuten, dass keiner mehr Kontaktpersonen nenne und sich Kontakte
unter Falschnamen eintragen, schrieb er auf Twitter. Linke-Experte
Achim Kessler kritisierte, mit dem Ende kostenloser Tests und der
Entschädigungen lasse sich die Pandemie nicht bekämpfen. «Im
Gegenteil führt das zu mehr unentdeckten Ansteckungen und zu weniger
Bereitschaft, die notwendigen Quarantänezeiten auch einzuhalten.»

Das Ende der seit Anfang März vom Bund finanzierten «Bürgertests» f
ür
alle ab dem 11. Oktober hatten Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die
Ministerpräsidenten bereits beschlossen. Dies setzt nun eine neue
Verordnung um. Kinder von 12 bis 17 Jahren und Schwangere können
demnach aber noch bis 31. Dezember mindestens einen kostenlosen Test
pro Woche machen. Grund ist, dass für sie erst seit kurzem eine
allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission vorliegt.

Generell weiter gratis testen lassen können sich Kinder, die das
12. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder erst in den letzten
drei Monaten vor dem Test 12 Jahre alt geworden sind. Gratis bleibt
es unter anderem auch für Menschen, die zum Beenden einer Quarantäne
wegen einer Corona-Infektion einen Test brauchen.

Um weiterhin kostenlose Schnelltests zu bekommen, muss man bei der
Teststelle einen amtlichen Ausweis mit Foto vorlegen - bei Kindern
ist so auch das Alter nachzuweisen. Extra Nachweise wie ein
ärztliches Zeugnis sind nötig, wenn man sich aus medizinischen
Gründen nicht impfen lassen kann - eine Diagnose muss nach
Ministeriumsangaben nicht angegeben werden. Zum Nachweis einer
Schwangerschaft kann demnach der Mutterpass genutzt werden.