Nach Wirbel um #Nichtselbstverständlich: Pflegerin trifft Minister

Berlin/Münster (dpa) - Die durch die Aktion #Nichtselbstverständlich
bekanntgewordene Krankenpflegerin Meike Ista spürt bisher wenig von
den Anstrengungen der Bundesregierung in der Pflege.

In einer TV-Runde mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ging
Ista unter anderem auf dessen Argument ein, er habe als erster
Minister Personal-Untergrenzen eingeführt. Spahn: «Auf eine bestimmte
Zahl von Patienten muss mindestens eine bestimmte Zahl von
Pflegekräften kommen.» Ista erwiderte darauf am Montagabend in der
ProSieben-Sendung «Zervakis & Opdenhövel. Live»: «Das ist definitiv

nicht die Realität. Die Personal-Untergrenzen werden nicht
eingehalten, werden unterschritten. Woran auch immer das liegen mag -
ich weiß nicht, ob das genauer kontrolliert werden muss. Das ist
nicht die Realität. Wir haben nicht genug Personal. Es fehlen trotz
dieser Personal-Untergrenze Leute.»

Auf die Frage von Moderatorin Linda Zervakis, ob manche Kliniken
mauschelten und Stellen aufspalteten, sagte Ista: «Ich bin sicher,
dass es diese Grauzonen irgendwo gibt und irgendwo dafür gesorgt
wird, dass es so ein bisschen umgangen werden kann.» Der
CDU-Politiker Spahn sprach bei der Begegnung immer wieder von einem
«Henne-Ei-Problem». Die positiven Errungenschaften müssten stärker

kommuniziert werden, um den nötigen Nachwuchs zu gewinnen. «Der Weg
ist noch nicht zu Ende gegangen, aber ist schon begonnen.» Es brauche
Vertrauen, so Spahn. «Dieses Vertrauen kann ich nicht allein
aufbauen. Dies geht nur gemeinsam mit den Pflegekräften.» Bisher
könnten die Stellen nicht so schnell besetzt wie geschaffen werden.

ProSieben hatte Ende März auf Betreiben der Entertainer Joko
Winterscheidt und Klaas Heufer-Umlauf sieben Stunden Sendezeit zur
Verfügung gestellt, um mit einer Doku ohne Werbeunterbrechung auf
Deutschlands Pflegenotstand aufmerksam zu machen. Unter dem Motto
#Nichtselbstverständlich war mit Hilfe einer Bodycam in Echtzeit eine
Schicht von Ista im Knochenmark- und Transplantationszentrum der
Uniklinik Münster gezeigt worden. Obwohl viele Zuschauer damals
erschrocken über die immense Arbeitsbelastung waren, sprach Ista am
Montag von einer guten Schicht. «Es ist tatsächlich so, dass ich an
diesem Tag vital stabile Patienten übernommen habe und sie so an den
Folgedienst übergeben konnte - und das ist halt nicht immer so.»

Bessere Arbeitsbedingungen für dringend benötigte Pflegekräfte sind
erklärtes Ziel der Bundesregierung - schon vor der Corona-Krise. Dazu
gab es auch eine «Konzertierte Aktion» mit zahlreichen Beteiligten.
Unter anderem steht mehr Geld für zusätzliche Altenpflege-Stellen
bereit. Die gesetzlichen Krankenkassen bezahlen auch in Kliniken jede
aufgestockte Pflegestelle. Oft ist es aber weiter schwer, Stellen zu
besetzen. Für eine attraktivere Ausbildung müssen Azubis inzwischen
bundesweit kein Schulgeld mehr zahlen, sondern bekommen Vergütungen.

Um bessere Löhne durchzusetzen, sieht eine Reform von Spahn zudem
vor, dass es ab September 2022 nur noch mit Pflegeeinrichtungen
Versorgungsverträge geben darf, die nach Tarif oder in ähnlicher Höhe

zahlen. In der Altenpflege mit rund 1,2 Millionen Beschäftigten
erhält laut Arbeitsministerium nur knapp die Hälfte Tariflohn. Ein
Anlauf für einen Tarifvertrag, den die Regierung für die ganze
Branche verbindlich machen wollte, war gescheitert.