Tschüss Tampon: Start-Ups setzen auf nachhaltige Periodenprodukte Von Mona Wenisch, dpa

Tampons und Binden dominieren seit Jahrzehnten den Periodenmarkt.
Unauffällig und praktisch ist die Devise vieler Hersteller. Junge
Start-Ups wollen Menstruationsprodukte hipp und nachhaltig machen -
und setzen dafür auf auffällige Verpackungen und neue Produkte.

Berlin (dpa) - Möglichst diskret, gut versteckt in der Faust wird der
Tampon unter dem Tisch an eine Freundin gereicht: So eine Situation
haben wohl die meisten Frauen schon einmal erlebt. Doch wenn es nach
einigen Start-Ups geht, hat der klassische Tampon ausgedient. Und mit
ihm auch das ihrer Meinung nach schambehaftete Image der
Menstruation.

Mit Periodenslips, Softtampons und Menstruationstassen sagen sie den
etablierten Unternehmen den Kampf an. Ihre Botschaft: Wer
menstruiert, soll sich wohlfühlen - und selbst über den Umgang damit
entscheiden. Eine der Gründerinnen ist Julia Rittereiser. «Ich hab
selbst wahnsinnig Periodenschmerzen und war immer auf der Suche nach
einer Lösung, die meine Periode komfortabler und angenehmer
gestaltet», sagt sie. «Gleichzeitig wollte ich was haben, was nicht
so viel Müll produziert.»

Ihr Unternehmen Kora Mikino hat sich deshalb auf eine nachhaltige
Alternative zu Tampons und Binden spezialisiert: Periodenslips. Die
Unterhosen bestehen aus mehreren Schichten und können so nach Angaben
des Unternehmens bis zu 30 Milliliter Blut aufnehmen - das entspreche
etwa 3 mittelgroßen Tampons. Der Bestseller: Nicht etwa die
unauffällige Unterhose, sondern der schicke Spitzenslip.

Die Zahlen scheinen Rittereiser Recht zu geben. «Wir wachsen sehr
stark», sagt sie. Letztes Jahr sei der Umsatz siebenstellig gewesen,
dieses Jahr werde dieser mehr als verdoppelt. «Wenn wir den Zahlen
glauben dürfen, wird es deutlich weiter nach oben gehen», sagt
Rittereiser. «Ich glaub, das Produkt trifft den Zahn der Zeit.» Die
Vision sei, dass irgendwann in jeder Unterwäscheabteilung auch
Periodenwäsche hänge.

Bisher spielen die alternativen Produkte allerdings noch keine große
Rolle in der Branche. Laut einer Marktanalyse von Splendid Research
von 2019 kaufen 96 Prozent der Frauen Einwegprodukte. 57 Prozent
betonen aber die Wichtigkeit biologisch abbaubarer und
wiederverwertbarer Produkte. Zero Waste Europe schätzt, dass
Einweg-Periodenprodukte jedes Jahr etwa 590 000 Tonnen Müll in den
EU-Staaten generieren.

Das Thema hat es schwer - auch bei Investoren. «Man hat in gewissen
Entscheider-Positionen mit Menschen zu tun, die sich absurd schwer
tun, sich in die Zielgruppe hineinzuversetzen», sagt Rittereiser.
«Denen fehlt die Fantasie, sich in Periodenschmerzen oder die
Menstruation hineinzuversetzen.» Das sieht Komikerin und
Geschäftsfrau Carolin Kebekus ähnlich. «Es wird viel zu wenig in
Gründerinnen investiert, Frauen haben immer noch weniger Zugang zu
Kapital als Männer», sagt sie.

Gemeinsam mit der Unternehmerin Tijen Onaran und Moderatorin Laura
Karasek investiert Kebekus in das Start-up Nevernot, das unter
anderem Softtampons verkauft. Die herzförmigen Schwämme haben im
Gegensatz zu klassischen Tampons keinen Rückholfaden und sollen
deutlich weniger zu spüren sein. Auch während des Sex können sie
verwendet werden. «Weibliche Produkte bekommen wesentlich weniger
Finanzierung als Finanzprodukte - ich finde: Gesundheit schlägt
Finanzen», sagt Onaran. «Oft wird ihnen weniger zugetraut, oder die
Produkte werden als zu «nischig» bewertet», findet Kebekus. «Dabei

haben die meisten Investoren einfach keine Ahnung, wie sehr ein guter
Softtampon, das Leben einer Frau zu 1000 Prozent verbessern kann.»

Produkt und Ideale sind bei vielen jungen Start-Ups eng miteinander
verwoben - das ist auch bei Cordelia Röders-Arnold vom Start-Up
Einhorn der Fall. «Es ist mein Wunsch, das Leben für menstruierende
Menschen schöner zu machen. Periode zur Stärke zu machen, wo sie
jahrelang als Schwäche empfunden wurde», sagt sie.

Einhorn wurde vor einigen Jahren durch nachhaltige und bunte Kondome
bekannt - vor vier Jahren kam dann Röders-Arnold zum Unternehmen und
trieb das Thema Periodenprodukte voran. Seitdem bietet Einhorn auch
Bio-Tampons und Slipeinlagen sowie Menstruationstassen an. Die Tassen
werden gefaltet in die Vagina eingeführt, bilden dort ein Vakuum und
fangen das Blut auf. Anders als Tampons können sie nach der Benutzung
abgekocht und wiederverwendet werden.

Die bunte Aufmachung der Kondome übertrug Einhorn auch auf Tampons
und Tassen. «Meistens sind die üblichen Verpackungen weiß, grün und

diskret, sauber und sicher», sagt Röders-Arnold. «Das muss nicht
diskret sein. Die Periode darf Raum einnehmen und Lärm machen. Unsere
Tampons heißen TamTampons, weil wir wollen, dass man mit Tampons auch
Tamtam machen kann.» Mittlerweile machen die Periodenprodukte laut
Röder-Arnold mehr als die Hälfte des Umsatzes von Einhorn aus. Dieser
liege insgesamt im siebenstelligen Bereich.

Zu der Botschaft der Start-Ups gehört auch, alle Menschen, die ihre
Periode bekommen, anzusprechen. Denn nicht nur Frauen menstruieren:
Auch Menschen, die sich beispielsweise keinem Geschlecht zuordnen
oder Transmenschen können ihre Tage bekommen.

«Die alten Hersteller diktieren auch das Narrativ», sagt Rittereiser.
«Menstruierende Menschen wollen sich davon emanzipieren, dass
nicht-menstruierende Menschen ihnen vorschreiben, wie sie mit der
Menstruation umgehen.» Es gehe darum, die Deutungshoheit über das
Thema zu bekommen. «Und um eine Entmachtung derer, die reine
kommerzielle Interessen haben.»