Erster Prozess um Corona-Ansteckungen im Skiort Ischgl

Ischgl genoss den Ruf einer Après-Ski-Hochburg. Voriges Jahr wandelte
der Ort sich zum Covid-Hotspot. Nun muss ein Gericht die Frage
klären, ob der Staat für die gehäuften Infektionen verantwortlich
ist.

Wien (dpa) - Die Ausbreitung des Coronavirus im Tiroler Skiort Ischgl
und die teils tödlichen Folgen für Touristen werden am Freitag
erstmals von einem Gericht behandelt. Die Witwe und der Sohn eines an
Covid-19 gestorbenen Österreichers, der sich bei der chaotischen
Abreise aus Ischgl angesteckt haben soll, fordern rund 100 000 Euro
Schadenersatz. Vor dem zivilrechtlichen Prozess im Wiener
Landesgericht hat die beklagte Republik Österreich jede Schuld von
sich gewiesen. Es gilt als unwahrscheinlich, dass schon am Freitag
ein Urteil gefällt wird. Bald werden auch weitere Klagen verhandelt.

Ischgl gilt als Beispiel für eine unkontrollierte Ausbreitung des
Coronavirus, seit der Ski- und Partyort im März 2020 wegen steigender
Fallzahlen plötzlich geschlossen wurde und Tausende Touristen -
darunter viele Deutsche - plötzlich abreisen mussten. Aus Sicht der
Kläger trug die von den Behörden schlecht organisierte Evakuierung zu
einem Chaos mit weiteren Infektionen bei, die dann von Rückkehrern in
viele Länder weitergetragen wurden.

Bei dem Gerichtstermin am Freitag soll zunächst geklärt werden, in
welchen Punkten Kläger und Republik bei der Sicht auf die Ereignisse
Anfang 2020 übereinstimmen. Ende September und Anfang Oktober wird
das Gericht einige andere Klagen verhandeln, die auch vom
österreichischen Verbraucherschutzverein (VSV) unterstützt werden.
Laut VSV könnten letztlich bis zu 3000 Ansprüche an die Republik
gestellt werden. «Am Freitag wird sich die Frage stellen, ob man
diese Massen an Ansprüchen nicht besser in Vergleichsverhandlungen
lösen könnte», sagte VSV-Gründer Peter Kolba.