OECD: Mehr als 180 Tage gestörter Unterricht in Corona-Zeit

Schulen und Kitas sollen nicht mehr schließen, wird immer wieder
betont. Zahlen der OECD zeigen nun, wie sehr die Schließungen und
Einschränkungen in der Vergangenheit den Unterricht eingeschränkt
haben.

Berlin (dpa) - Zwei Drittel der Unterrichtstage waren in den ersten
Corona-Wellen in Deutschland durch geschlossene oder nur teilweise
geöffnete Schulen beeinträchtigt. Diese Zahlen hat die Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) am
Donnerstag vorgelegt. Die rund elf Millionen Schülerinnen und Schüler
im Land hatten seit Beginn der Pandemie bis zu diesem Frühjahr im
Schnitt an mehr als 180 Tagen sogenanntes Homeschooling,
Wechselunterricht oder andere Unterrichtsformen, weil Schulen zu oder
nur zum Teil geöffnet waren. Das sind 67 Prozent der rund 270
Schultage im untersuchten Zeitraum zwischen Januar 2020 und 20. Mai
2021.

Grundschulen waren demnach im Schnitt 64 Tage geschlossen und 118
Tage nur teilweise geöffnet. Weiterführende Schulen waren an 85 Tagen
geschlossen und an 98 Tagen nur eingeschränkt in Betrieb, Gymnasien
oder Berufsschulen waren 83 Tage zu und 103 Tage nur teilweise
geöffnet. Kitas waren im Untersuchungszeitraum im Durchschnitt 61
Tage vollständig geschlossen. Zahlen zum Teilbetrieb bei Kitas liegen
nicht vor.

OECD-Bildungsdirektor Andreas Schleicher sagte am Donnerstag: «Man
muss bei zukünftigen Krisen sich Gedanken machen, was die Prioritäten
sind.» Er verwies darauf, dass andere OECD-Länder bei ähnlicher oder

noch schwierigerer Infektionslage, die politische Entscheidung
getroffen hätten, die Schulen offenzuhalten.

Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) begründete das Vorgehen in
Deutschland mit der starken Rolle der Gesundheitsfrage im
Abwägungsprozess, «was übrigens auch von der Gesellschaft ja lange,
lange so auch mitgetragen wurde.» In Umfragen habe man weitestgehende
Akzeptanz dafür gesehen, dass man sehr restriktiv rangegangen sei.
Schleicher sagte, es sei international keinerlei statistischer
Zusammenhang zwischen der Höhe der Infektionsraten und der Länge der
Schulschließungen zu sehen.

Die OECD legte die Daten im Rahmen ihrer jährlich veröffentlichten
Erhebung «Bildung auf einen Blick» vor. In der mehr als 500-seitigen
Studie werden die Bildungssysteme der 38 OECD- und weiterer Länder
miteinander verglichen. Unter anderem wird untersucht, wie viel Geld
die Länder für Bildung ausgeben oder wie Schulen und Kitas personell
aufgestellt sind.

Hervorgehoben wird für Deutschland, dass sowohl in der Altersgruppe
unter drei Jahren als auch im vorschulischen Bereich mehr Kinder an
frühkindlicher Bildung, Betreuung und Erziehung teilnähmen als im
OECD-Durchschnitt. Die jährlichen Bildungsausgaben pro Schülerin und
Schüler seien zudem höher als im OECD-Durchschnitt. Allerdings gibt
Deutschland dem Bericht zufolge bezogen auf sein Bruttoinlandsprodukt
(BIP) weniger Geld für Bildungseinrichtungen aus als die OECD-Länder

im Schnitt. 2018 waren es demnach 4,3 Prozent des BIP, verglichen mit
einem OECD-Durchschnittswert von 4,9 Prozent.

Der Anteil der öffentlichen Bildungsausgaben am Bruttoinlandsprodukt
müsse deutlich wachsen, forderte die Gewerkschaft Erziehung und
Wissenschaft (GEW). «Mit den bisher eingesetzten Mitteln schaffen wir
es in Deutschland bis heute nicht, für Chancengleichheit zu sorgen»,
sagte GEW-Vorstandsmitglied Anja Bensinger-Stolze. Die Gewerkschaft
erneuerte zudem ihre Forderung nach besserer Bezahlung für Lehrkräfte
und verwies auf einen «dramatischen Lehrkräftemangel» an
Grundschulen. Nur so werde der Lehrkräfteberuf für junge Menschen bei
der Berufswahl wieder attraktiver.

OECD-Bildungsdirektor Schleicher sieht andere Gründe: «Es geht
weniger daum, den Lehrerberuf finanziell attraktiver zu machen, das
ist er schon. Es geht eher darum das Berufsfeld intellektuell
attraktiver zu machen». Laut OECD-Bericht sind die Gehälter für
Lehrkräfte in Deutschland höher als in allen anderen OECD-Ländern mit

verfügbaren Daten. Schleicher plädierte für neue Karrierestrukturen,

die Lehrkräften eine Weiterentwicklung ermöglichten. Schule müsse ein

spannendes Arbeitsumfeld sein. In Deutschland sei der Lehrerberuf
immer noch sehr auf Unterricht im Klassenzimmer beschränkt.