EU-Parlament gegen Pläne für strengere Antibiotika-Regeln bei Tiere

Weil kein Antibiotikum mehr bei ihnen wirkt, sterben schätzungsweise
jedes Jahr 33 000 Menschen in der EU. Um die Ausbreitung resistenter
Keime aufzuhalten, sollen weniger Antibiotika an Tiere gehen. Doch
eine Initiative dazu scheiterte nun in Straßburg.

Straßburg (dpa) - Das EU-Parlament hat Pläne abgelehnt, fünf
bestimmte Antibiotikagruppen für den Einsatz beim Menschen zu
reservieren und bei Tieren weitgehend zu verbieten. Die Abgeordneten
lehnten am Donnerstag in Straßburg ein entsprechendes Vorhaben des
grünen EU-Abgeordneten Martin Häusling ab. «Es ist ein ganz
schlechter Tag für die Humanmedizin», sagte Häusling nach
Bekanntwerden der Ergebnisse. Es sei aber auch ein schlechter Tag für
Hunde- und Katzenhalter. Der Bundesverband praktizierender Tierärzte
hingegen begrüßte die Entscheidung.

Häusling und der Umweltausschuss des EU-Parlaments hatten erreichen
wollen, dass künftig fünf Antibiotikagruppen vor allem Menschen
vorbehalten sein sollen, aber in Ausnahmefällen an einzelne, kranke
Tiere verabreicht werden dürfen. Ziel war, den massenhaften Einsatz
dieser Stoffe in der Tiermast zu beenden, um Antibiotikaresistenzen
vorzubeugen.

Die Vorschläge hatten Protest beim Verband praktizierender Tierärzte
ausgelöst. Dieser befürchtete, dass auch Haustiere künftig nicht mehr

adäquat mit Antibiotika behandelt werden könnten. Er hatte eine
Unterschriftenaktion gestartet. Zahlreiche Tierhalter, die um die
künftige medizinische Versorgung ihrer Vierbeiner fürchteten,
unterzeichneten diesen. Verbandsgeschäftsführer Heiko Färber zeigte
sich erfreut über das Abstimmungsergebnis: «Wir glauben, dass das der
richtige Weg ist, um den Kampf gegen antimikrobielle Resistenzen
anzugehen.»

Nun bleibt es bei den ursprünglichen Plänen der EU-Kommission: Diese
will bislang keine konkreten Stoffe nennen, die auf die Liste von
Reserveantibiotika kommen sollen. Die Behörde präsentierte
stattdessen Kriterien für deren Auswahl: etwa eine hohe Bedeutung für
die menschliche Gesundheit und ein «nicht-essenzieller» Bedarf in der
Tiermedizin.

Reserveantibiotika sind Medikamente, die bei Infektionskrankheiten
verwendet werden, wenn normale Antibiotika nicht mehr wirken. Ziel
ist ein möglichst restriktiver Einsatz dieser Mittel, um ihre
Wirksamkeit durch sich entwickelnde Resistenzen nicht zu gefährden.
Der Grund: Je mehr ein Antibiotikum eingesetzt wird, desto eher
setzen sich resistente Erreger-Subtypen durch. Solche Resistenzen
sind gefürchtet: Laut der EU-Kommission sterben jedes Jahr in der EU
33 000 Menschen, weil Antibiotika bei ihnen nicht mehr wirken.

Schätzungen zufolge würden weltweit 66 Prozent aller Antibiotika für

landwirtschaftliche Nutztiere verwendet und nicht für Menschen,
erklärte Häusling. In Mastbetrieben würden immer noch auch gesunde
Tiere über Futter oder Wasser mit Antibiotika behandelt, wenn es in
dem Stall kranke Tiere gebe. Resistente Keime aus den Ställen können
etwa über Fleisch zum Menschen gelangen.

Welche Stoffe am Ende auf die EU-Liste der Reserveantibiotika kommen,
muss die Kommission nach Angaben von Häuslings Büro bis zum 28.
Januar 2022 klarstellen. Diese Mittel sollen dann aber aller
Voraussicht nach wirklich nur für Menschen erlaubt sein - eine
Einzelbehandlung kranker Haustiere, wie Häusling sie gefordert hatte,
schloss die Kommission zuletzt aus. Damit habe sich der
Tierärzte-Verband ins eigene Knie geschossen, sagte der
Grünen-Abgeordnete.

Er bemängelte eine unredliche Kampagne des Verbands - auch gegen ihn
persönlich. Es sei unverständlich, dass die Interessen der Tierärzte

und der Agrarlobby nun offenbar höher gewichtet würden als die der
Humanmediziner, die sich hinter sein Vorhaben gestellt hätten. «Man
kann doch nicht den Schutz von Meerschweinchen mit der Humanmedizin
gleichstellen.»

Der Geschäftsführer des Tierärzte-Verbands, Färber, wies die Vorw
ürfe
zurück, eine Fake-News-Kampagne geführt zu haben. Sein Verband sei
stets zu Gesprächen bereit gewesen und ja ebenfalls dafür, den
Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Aber mit den Plänen Häuslings
habe die Gefahr bestanden, dass zu viele Medikamente für Tiere
weggefallen wären.

Die Gruppenbehandlung von Nutztieren sei überdies bislang nicht zu
ersetzen - jedenfalls nicht, ohne den Tod vieler Tiere in Kauf zu
nehmen, sagte Färber. Ob man das wolle, das könne man nicht nebenher
entscheiden. Nach den Anschuldigungen Häuslings würden nun viele
Tierärzte in ihren Praxen von aufgebrachten Bürgern angefeindet.