Biontech mit mRNA-Technik im Rennen um Zukunftspreis Von Sabine Dobel, dpa

Reifen aus Löwenzahn-Gummi und ein neuartiger
«Quanten»-Computertomograph sind zwei Projekte, die für den Deutschen

Zukunftspreis vorgeschlagen sind. Prominentester Kandidat ist das
Unternehmen Biontech mit der mRNA-Technik.

München (dpa) - Es war bei den ersten Unternehmen, die einen
Impfstoff gegen das Coronavirus auf den Markt brachten. Das Mainzer
Unternehmen Biontech, das mit dem US-Pharmariesen Pfizer einen
mRNA-Impfstoff entwickelt hat, ist einer von drei Kandidaten für den
Deutschen Zukunftspreis 2021. Die beiden anderen Teams entwickelten
eine neuartige Technik für bessere CT-Bilder und einen alternativen
Kautschuk.

Die Forscher stellten ihre Entwicklungen am Mittwoch im Deutschen
Museum in München vor. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
verleiht die mit 250 000 Euro dotierte Auszeichnung am 17. Dezember
in Berlin. Sie wird zum 25. Mal vergeben und zählt zu den wichtigsten
Wissenschaftspreisen in Deutschland.

Die Biontech-Gründer Ugur Sahin und seine Frau Özlem Türeci befassten

sich mit ihrem Team seit Jahrzehnten mit der mRNA-Technologie. Ein
Biomolekül bewirkt in den Zellen, dass genetische Information in
Proteine umgewandelt wird. Damit sind die Impfstoffe schneller
herzustellen und anzupassen als andere Vakzine.

Auf der mRNA-Technologie ruhen weitere Hoffnungen, etwa für
Krebsmedikamente. Gearbeitet wird auch an immuntherapeutischen
Arzneimittel und Impfstoffen gegen Krankheiten wie HIV oder
Tuberkulose. Es öffne sich eine «Tür zu einer neuen therapeutischen
Welt», sagte Sahin. Die Technik sei «ein Baustein für eine Medizin
von morgen».

Zur Debatte ums Impfen sagte Sahin, Biontech habe eine Lösung
bereitgestellt. «Es ist nicht unsere Aufgabe, die Impfquote zu
erhöhen.» Aber als Bürger «tut es uns schon weh», sagte er mit Bl
ick
auf die stagnierende Kampagne. Es gebe Hinweise, dass der Schutz nach
einer dritten Impfung länger anhalten könnte als nach den beiden
ersten. «Man kann sich vorstellen, dass dann eine neue Impfung erst
nach 12 oder 18 Monaten stattfindet», sagte Türeci. Konkret müsse
dies aber die Erfahrung zeigen. Fortlaufend werde auch untersucht, ob
der Impfstoff gegen Mutanten wirksam sei, sagte Sahin. Das sei bisher
der Fall.

Einen Fortschritt auch bei der Diagnostik von Corona-Infektionen
verspricht eine neue CT-Technik. Die Siemens Healthineers AG in
Forchheim hat einen quantenzählenden Computertomographen entwickelt,
der nichts mit einem Quantencomputer zu tun hat, aber aus Signalen
mehr Information herausholt und so präzisere klinische Diagnosen
ermöglicht, wie der Physiker und Teamleiter Thomas Flohr erläuterte.
Rund 20 der Geräte seien in Europa und den USA im Einsatz. Sie
bringen bei 40 Prozent weniger Strahlen- und Kontrastmitteldosis
doppelt so scharfe Bilder und eine feinere Gewebedarstellung. Bei
Untersuchungen von bewegten Organen wie Lunge und Herz profitierten
Mediziner unter anderem von einer kürzeren Belichtungszeit, hieß es.
Damit könnten auch Kontrollen bei Covid-19-Patienten verbessert
werden.

Das dritte Projekt befasst sich mit der nachhaltigen Produktion einer
Kautschuk-Alternative. Gummi aus Naturkautschuk ist unter anderem für
Reifen von Lastwagen, Motorräder, Fahrräder und Pkw nicht
wegzudenken. Sie enthalten zwischen 10 und 40 Prozent natürlichen
Kautschuk. Doch der Rohstoff ist rar - und seine Gewinnung in
tropischen Regionen belastet oft die Umwelt. Kautschuk stammt bisher
ausschließlich aus dem Kautschukbaum, der in Monokulturen auf
riesigen Plantagen im tropischen Süd- und Südostasien angebaut wird.

Ein Team um die Materialforscherin Carla Recker schuf aus Russischem
Löwenzahn eine ökologisch verträgliche Alternative. Die in
Zentralasien beheimatete Pflanze produziert in den Wurzelzellen einen
klebrigen Milchsaft, der Kautschuk enthält. Forscher der Universität
Münster und des dortigen Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie
und Oekologie IME entwickelten robuste Pflanzen, die eine hohe
Ausbeute bieten. Sie sehe die Entwicklung «als unseren Beitrag, den
Schutz der Regenwälder vorabzutreiben», sagte Recker.

Die neuen Reifen, produziert beim Hersteller Continental in Hannover,
hätten vergleichbare und teils bessere Eigenschaften als herkömmliche
Produkte, etwa auf nasser oder schneeglatter Fahrbahn. Als erstes
Serienprodukt brachte Continental 2019 einen Fahrradreifen mit einem
Laufstreifen aus Löwenzahngummi heraus.

Der Russische Löwenzahn sei genügsam und gedeihe auch auf kargen
Böden, die sonst für die Landwirtschaft wenig attraktiv wären, hieß

es weiter. So wäre der Anbau etwa auf ehemaligen
Braunkohle-Tagebauflächen möglich. Das würde vom Kohleausstieg
betroffenen Regionen eine neue wirtschaftliche Perspektive eröffnen.