Enttäuschung bei Hinterbliebenen nach Prozess um Germanwings-Absturz

Mehr als sechs Jahre nach der Germanwings-Katastrophe hat sich ein
Gericht abermals mit Schadenersatz-Ansprüchen der Hinterbliebenen
befasst. Die Entscheidung fiel für die Kläger ernüchternd aus. Ob sie

weiterkämpfen, ist noch offen.

Hamm (dpa) - Auf die Gerichtsentscheidung im Berufungsverfahren um
zusätzlichen Schadenersatz nach dem Germanwings-Absturz im Jahr 2015
haben die klagenden Hinterbliebenden mit Enttäuschung reagiert. Am
Dienstagabend hatte das Oberlandesgericht die Berufung von mehreren
Klägern gegen die Lufthansa zurückgewiesen. Die Hinterbliebenen der
Germanwings-Katastrophe mit 150 Toten hatten auf zusätzliche
Entschädigung von jeweils 30 000 Euro geklagt, waren aber auch in
zweiter Instanz gescheitert.

Er halte die Argumentation des Oberlandesgerichts für ebenso falsch
wie die der Essener Richter, betonte Flugrechtsanwalt Elmar Giemulla
am Dienstag in Hamm. Es sei zu prüfen, ob seine Mandanten gegen die
Entscheidung vorgehen.

Die anwesenden Hinterbliebene hatten noch vor der Verkündung des
Urteils am späten Dienstagabend sichtlich ernüchtert und teilweise
aufgebracht das Gerichtsgebäude verlassen. In der mündlichen
Verhandlung hatte sich bereits angedeutet, dass die Richter wohl das
Urteil aus der Vorinstanz bestätigen würden. Das Landgericht Essen
hatte die Klage 2020 unter anderem mit der Begründung zurückgewiesen,
die Lufthansa sei nicht der richtige Adressat für die Klage.

Am 24. März 2015 hatte den Ermittlungen zufolge der früher unter
Depressionen leidende Co-Pilot das Flugzeug in den französischen
Alpen absichtlich gegen einen Berg gesteuert. Dabei kamen alle 150
Insassen ums Leben. Viele Opfer kamen aus Nordrhein-Westfalen,
darunter auch 16 Schüler und zwei Lehrer eines Gymnasiums aus Haltern
am See am nördlichen Rand des Ruhrgebiets.

Die Kläger werfen der Germanwings-Mutter Lufthansa Versäumnisse bei
den medizinischen Untersuchungen auf Flugtauglichkeit vor. Hätten die
Flugärzte gründlich gearbeitet, so das Argument, hätte eine
schwerwiegende psychische Krankheit des Co-Piloten erkannt werden und
ihm die Flugerlaubnis entzogen werden müssen.

Dem Argument folgten die Richter jedoch auch am Dienstag nicht.
Vielmehr sprachen sie von einer «recht klaren Urteilsbegründung» der

Vorinstanz. Die Argumentation im ersten Urteil, die medizinische
Überwachung sei eine hoheitliche Aufgabe des Staates, sei schlüssig.
Insofern sei die Lufthansa nicht der richtige Adressat, wenn man
Versäumnisse der Fliegerärzte geltend machen wolle. Vielmehr sei der
Bund der richtige Anspruchsgegner. Denn dessen Behörde, das
Luftfahrtbundesamt, sei verantwortlich für die Prüfung der
Flugtauglichkeit.

Einem Vergleich in der Frage hatte insbesondere die Lufthansa nicht
zugestimmt. Sie hatte in dem Verfahren stets argumentiert, die
während seiner Ausbildung festgestellte Depression des Co-Piloten sei
2010 ausgeheilt gewesen, für einen Rückfall habe es bei den
Untersuchungen keine Anhaltspunkte gegeben.

Nach ihrer Beratung verkündeten die Richter am Abend schließlich, was
sich bereits abgezeichnet hatte: Die Berufung werde zurückgewiesen.
Die ausführliche Begründung werde schriftlich erfolgen. Auch die
Revision ließen die Richter nicht zu - die Kläger haben jedoch die
Möglichkeit, dagegen Beschwerde einzulegen.

Zudem steht in einem ähnlichen Verfahren in Frankfurt noch eine
Entscheidung aus. Dort anhängig ist nach Auskunft der
Kläger-Vertreter eine Klage gegen die Lufthansa um
Schmerzensgeldansprüche in Höhe von insgesamt mehr als 3 Millionen
Euro.