Haft für Mordversuch an kleiner Tochter - Motiv der Mutter unklar

Kurz nach Weihnachten gibt eine Hamburger Krankenschwester ihrer
Tochter Medikamente in tödlicher Dosis. Ärzte retten die Vierjährige

und schalten die Polizei ein. Ein Gericht spricht die Mutter wegen
Mordversuchs schuldig, kann aber eine wichtige Frage nicht klären.

Hamburg (dpa) - Wegen versuchten Mordes an ihrer vierjährigen Tochter
mit Medikamenten hat das Landgericht Hamburg eine Krankenschwester zu
vier Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt. Nach Überzeugung der
Strafkammer verabreichte die 36-Jährige ihrem Kind zwei Beruhigungs-
und ein Schlafmittel in sehr hoher Dosis. Sie habe dabei den Tod der
Vierjährigen billigend in Kauf genommen, sagte der Vorsitzende
Richter Matthias Steinmann am Montag. Die Angeklagte habe sich der
gefährlichen Körperverletzung und des versuchten Mordes aus Heimtücke

schuldig gemacht (Az. 602 Ks 2/21).

Die Intensivkrankenschwester hatte ihr Kind am 28. Dezember
vergangenen Jahres in das Kinderkrankenhaus Wilhelmstift gebracht,
weil es angeblich bei einem Sturz vom Sofa eine Schädelprellung
erlitten hatte. Der Vater war kurz vor dem Zwischenfall zur Arbeit
gefahren. Die Ärzte nahmen Mutter und Tochter stationär auf. Zunächst

hatte das Kind nur über Kopfschmerzen geklagt, doch gegen Abend
verschlechterte sich sein Zustand plötzlich. Wegen des Verdachts auf
eine Hirnblutung wurde es als Notfall ins Universitätsklinikum
Eppendorf verlegt.

Dort bestätigte sich dieser Verdacht nicht. Das Kind habe jedoch sehr
lange geschlafen und sich erholt, wie Steinmann weiter ausführte.
Eine Krankenschwester sah das Mädchen, wie es am folgenden Tag im
Zimmer malte und spielte. Nur eine gute halbe Stunde später habe die
Mutter das scheinbar leblose Kind aus dem Krankenzimmer getragen.
Eine Kinderärztin sprach die Mutter an und erkannte sogleich den
Notfall.

Das Institut für Rechtsmedizin habe in Urin- und Blutproben
Substanzen gefunden, «die dort nichts verloren haben», wie Steinmann
sagte. Er nannte das Schlafmittel Zopiclon und die Beruhigungsmittel
Midazolam und Diazepam. Angesichts der hohen Dosierung sei die
Vierjährige in potenzieller Lebensgefahr gewesen.

Es gebe keinerlei Anhaltspunkte, dass jemand anderes als die Mutter
die Mittel gegeben haben könnte, auch nicht aus Versehen, stellte
Steinmann fest.

Das Motiv für die Tat konnte das Gericht nicht klären. Die Strafe sei
nicht zu hoch, sondern sachgerecht. Die Kammer sei sich der
einschneidenden Folgen des Urteils für die Familie bewusst. «Die
Angeklagte muss erkennen, was sie getan hat, und herausfinden, warum
sie das getan hat», betonte der Richter. Wenn sie Hilfe in Anspruch
nehme, könne das Urteil auch eine Chance sein.

Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Haft gefordert, die
Verteidigung hatte sich für eine Bewährungsstrafe ausgesprochen. Die
Angeklagte bestritt die Vorwürfe bis zuletzt. Während der
Urteilsverkündung weinte sie. Das Urteil ist noch nicht
rechtskräftig.