Spätsaison auf Mallorca: Entspannung, Tanzfrust, einsame Männerherzen Von Ralf Petzold, Jan-Uwe Ronneburger und Emilio Rappold, dpa

Das Wetter ist auch im September noch sommerlich, die Kneipen sind
geöffnet und die Reisebranche freut sich. Dennoch: Auf Mallorca ist
noch nicht alles wie früher. Vor allem eines wird schmerzhaft
vermisst.

Palma (dpa) - Deutsch wird auf der Playa de Palma ohnehin viel
gesprochen. Derzeit ist besonders viel Kölsch zu hören. An vielen
Orten kann man ein Trikot, ein Banner oder eine Fahne des 1. FC Köln
mit dem typischen Geißbock entdecken. «Es ist Kölner Woche. Das ist
jedes Jahr die zweite Septemberwoche», sagt einer, der zu einer
Gruppe aus sieben älteren Herren gehört, die am Strand von Mallorca
schon zu früher Stunde am Alkoholpegel arbeiten. Seit 40 Jahren reist
die selbsternannte «Interessengemeinschaft» jedes Jahr auf die
spanische Insel. Seit Beginn der Pandemie ist es das erste Mal.

Der September ist nicht nur der Monat der Kölner, sondern auch der
Kegelclubs, sprich Gruppen meist reiferer Herrschaften. Das
Durchschnittsalter im Vergleich zur Hochsaison ist an der Playa
deutlich gestiegen.

Besonders am Abschnitt vor dem Balneario 6, dem berüchtigten
Ballermann, tummeln sich jetzt wieder viele Leute, das Wetter lädt
zum Sonnenbaden ein. Während sich der Herbst in Teilen Deutschlands
langsam vorwagt, brennt die Mallorca-Sonne bei 30 Grad kräftig vom
Himmel. So lässt es sich leben, doch etwas vermissen viele der
Urlauber noch: das Tanzen.

Die Regionalregierung hat das seit Ende Juli geltende nächtliche
Versammlungsverbot zwar wieder aufgehoben, doch die Tanzflächen der
Bars bleiben geschlossen. Auch Diskotheken wie der «Megapark» sind
noch dicht. «Da kommt keine Partystimmung auf. Es ist wie im
Restaurant. Man trinkt etwas, und im Hintergrund dudelt Musik», meint
einer aus der Kölner Gruppe. «Wir sind nur Männer. Wie sollen wir so

jemanden kennenlernen?»

Der Sprecher des Reiseanbieters Tui, Aage Dünhaupt, ist dennoch
zufrieden. «Natürlich beeinflussen zusätzliche Freiheiten im
Urlaubsort die Reiselust positiv. Viel wichtiger sind aber die
Lockerungen bei der Ein- und Ausreise», sagte er der Deutschen
Presse-Agentur. Schon seit dem Wegfall der Reisewarnung Ende August
seien Buchungen für Spanien «sprunghaft angestiegen», betont
Dünhaupt. «Für Mallorca sehen wir seitdem eine Steigerung von bis zu

300 Prozent im Vergleich zu den Vorwochen.» Viele Flieger aus
München, Stuttgart und Frankfurt starteten zuletzt nach Dünhaupts
Worten «jeden Tag fast ausgebucht».

Der berüchtigte Sauftourismus sei derzeit ohnehin nicht angesagt,
versichert Dünhaupt: «Da die meisten Reisenden in diesem Jahr eher
einen ruhigen Urlaub planen, dürfte die Aufhebung des
Versammlungsverbots auf die Gruppe der Pauschalreisenden weniger
Auswirkungen haben als der Wegfall der Reisewarnung.»

Für die Kneipenbesitzer sind dies die Zeiten, in denen das Geschäft
am besten läuft. Beatrice Ciccardini, Wirtin der Bar «Zur Krone»
direkt am Strand, sehnt trotzdem die Aufhebung des Tanzverbots
herbei. «Es ist eine Katastrophe», sagt die gebürtige Schweizerin und

befürchtet illegale Trinkgelage großer Gruppen im Freien. «Die Bars
müssen nachts öffnen dürfen, damit die Leute einen Ort haben, wo sie

hingehen können», fordert Ciccardini mit Blick auf den weiterhin ab
zwei Uhr morgens geltenden «Zapfenstreich».

In der Schinkenstraße ist es an diesem Vormittag im September ruhig.
Das Kultlokal «Bierkönig» ist noch nicht geöffnet. Im «Bamboleo
»
sitzen einige Leute, die nicht an den Strand wollen. «Es ist ganz
angenehm, wenn es nicht mehr so laut ist», sagt ein Urlauber aus
Saarbrücken, der mit seiner Frau da ist. «Unser Hotel liegt zwischen
dem «Megapark» und dem «Bierkönig». Da kann es schnell zu laut
werden.»

In den Bars werden die Kunden an Tischen zusammengesetzt, damit
möglichst kein Platz frei bleibt. Sicherheitsleute kontrollieren
dabei streng, dass niemand tanzt oder von Tisch zu Tisch geht. «Es
ist übertrieben. Am Tisch sitzt man mit fremden Leuten zusammen, doch
wenn ich Pipi gehe, muss die Maske unbedingt auf sein. Aber in
Deutschland ist es ja nicht anders», sagt ein älterer Herr. «Aus dem

Alter, dass ich die ganze Nacht Party machen muss, bin ich zwar raus,
das Tanzen fehlt mir aber sehr. Ich tanze gerne.» Zwei Rentner
wussten sich da besser zu helfen: «Wir haben einfach die Möbel vom
Balkon geräumt und einen Discofox hingelegt.»

Von einer Sommersaison, die «unendlich besser als erwartet» gewesen
sei, sprach die balearische Regionalpräsidentin Francina Armengol
dieser Tage. Am Ballermann und in anderen Gebieten der Insel ist man
nun allerdings auch auf ein gutes Herbstgeschäft angewiesen, damit
die Erholung nach den schwersten Pandemie-Monaten mit vielen
Bankrotterklärungen nicht im Keim erstickt. Der Herbst weckt Sorgen.
Doch Tui-Sprecher Dünhaupt meint, die Lockerungen würden «nun auch
die Planungen für die Herbstferien positiv beeinflussen». Viele
Deutsche buchten «mehr denn je» kurzfristig.

Wenn es mit den Corona-Zahlen so weitergeht, werden sicherlich
irgendwann auch die Tanzflächen wieder öffnen. Mallorca und Spanien
haben mit die höchste Impfquote überhaupt. Und derzeit liegt die
Sieben-Tage-Inzidenz bei 64, niedriger als in Deutschland.