TV-Schlagabtausch, die Zweite: Harte Angriffe und rote Ohren Von Theresa Münch und Jörg Blank, dpa

Der zweite Fernseh-Schlagabtausch der Kanzlerkandidaten beginnt
hitzig. Man merkt: Einer weiß, dass er angreifen muss. Die Zuschauer
überzeugt ein anderer eher.

Berlin (dpa) - Der Dreikampf ums Kanzleramt ist ein Zweikampf
geworden - diesen Eindruck jedenfalls erweckt der zweite große
TV-Schlagabtausch der Kanzlerkandidaten vor der Bundestagswahl.
Während sich Armin Laschet (Union) und Olaf Scholz (SPD) am
Sonntagabend bei ARD und ZDF in die Haare kriegen, kämpft
Grünen-Kandidatin Annalena Baerbock zwischen den Streithähnen um
Aufmerksamkeit. Es geht deutlich lebendiger zu als beim ersten
sogenannten Triell: Man zofft sich, man redet sich rein. Es geht um
viel: Schafft Laschet, der in den Umfragen zuletzt an Boden verlor,
doch noch die Trendwende? Und wie stark schadet dem Finanzminister
Scholz die neueste Aufregung um die Anti-Geldwäsche-Einheit?

Vor allem Scholz, dessen SPD die Umfragen seit mehreren Wochen
überraschend anführt, gerät zu Beginn unter Druck. Das liegt zum
einen daran, dass die Moderatoren seine wunden Punkte
(Geldwäsche-Razzia, Wirecard) zuerst ansprechen - und erst später die
der Konkurrenten. Das liegt aber auch daran, dass der Unionskandidat
Laschet eine seiner letzten großen Chancen nutzen will und zur
Attacke bläst.

Scholz trage als Finanzminister die Verantwortung für Verfehlungen
der Geldwäsche-Aufsicht, wirft ihm Laschet energisch vor. Der
Vizekanzler wehrt sich ebenfalls heftig und zusehends genervt, so
sehr, dass er ganz rote Ohren bekommt. Er wirft Laschet bewusste
Falschdarstellung vor, seine Fakten stimmten nicht - doch so richtig
holt Scholz nicht zum Gegenangriff aus.

In den Umfragen, die ARD und ZDF nach der Sendung präsentieren,
schneidet der Vizekanzler trotzdem besser ab: überzeugender,
kompetenter. Beide Institute, Infratest-Dimap und die
Forschungsgruppe Wahlen, sehen Scholz als Gesamtsieger. Doch in der
Frage, wen die Bürger am liebsten als Bundeskanzler hätten, macht
Laschet während der Sendung zumindest in der ZDF-Umfrage Boden auf
den führenden Vizekanzler gut.

Laschet scheint sich präzise auf seinen Angriff vorbereitet zu haben,
anders als beim ersten Triell arbeitet er sich diesmal nicht an
Baerbock, sondern vor allem an Scholz ab. Sein Ziel im Schlagabtausch
lautet offenbar eher, die Gegner zu schwächen als sachlich Argumente
auszutauschen. Das machen ihm die Moderatoren Maybrit Illner (ZDF)
und Oliver Köhr (ARD) zu Beginn auch leicht. Sie geben den Kandidaten
keine Gelegenheit zum Warmlaufen, steigen sofort mit Streitthemen
ein.

Fast eine halbe Stunde lang geht es um Koalitionsoptionen und
Skandale. Baerbock will sich nicht zwischen Linken und FDP
entscheiden, Scholz schließt eine Koalition mit der Linken nicht aus,
Laschet genauso wenig eine Juniorpartnerschaft unter SPD-Führung.
Dann der Schlagabtausch zur Geldwäsche-Razzia, zu CDU-Rechtsaußen
Hans-Georg Maaßen und ein paar Worte zum von vielen Grünen
verstoßenen Tübinger Bürgermeister Boris Palmer.

Bis konkrete Sachthemen angesprochen werden, dauert es - was
Zuschauer auf Twitter auch kritisieren und als «Schlammschlacht»
beschreiben. Erst zur Halbzeit des Triells werden Klimaschutz,
Corona-Impfungen, Digitalisierung, die Zukunft der Krankenkassen oder
die Rente angesprochen.

Alle drei Kandidaten, auffällig einheitlich in dunkles Blau
gekleidet, stehen zwei Wochen vor der Wahl sichtbar unter Druck. In
Umfragen liegen sie alle in Schlagdistanz, jeder der drei kann sich
noch Hoffnungen machen, nach 16 Jahren Angela Merkel ins Kanzleramt
einzuziehen.

Laschet, derzeit in den Umfragen gegenüber Scholz deutlich im
Hintertreffen, muss attackieren und landet auch Treffer. Doch teils
wirkt er dünnhäutig, rutscht in seinen Formulierungen immer wieder
ins Belehrende ab: «Wenn Sie richtig zugehört haben...». Scholz
dagegen muss verteidigen, das ist keine angenehme Position, vor
allem, wenn man gerade wegen Ermittlungen gegen die
Geldwäsche-Zentrale des Zolls in der Kritik steht. Doch Laschet lockt
ihn aus der Reserve, Scholz zeigt, dass er auch streiten kann.
Baerbock ihrerseits kann lächelnd in beide Richtungen austeilen - und
bekommt Fairnesspunkte, als sie darauf hinweist, dass die
Redezeit-Uhr falsch läuft.

Am Ende hat jeder Kandidat Zeit für ein Schlusswort, es soll der
dramaturgische Höhepunkt der Auseinandersetzung sein. Am Sonntag aber
kommen alle drei Beiträge nicht gegen die zuvor lebhafte Diskussion
an. Laschet wirbt für sich als «Bundeskanzler des Vertrauens», der
garantiert Bürokratie abschaffe, nicht gängele, und nicht
vorschreibe, wie man zu denken oder zu leben habe. Scholz hebt
Solidarität, Zusammenhalt und mehr Respekt in der Gesellschaft als
zentrale politische Ziele hervor und betont: «Ich möchte Ihnen dafür

als Bundeskanzler dienen.» Baerbock beschwört einen «echten
Aufbruch».

Schon in einer Woche dürfen sich die drei erneut fernsehöffentlich
streiten: Sieben Tage vor der Wahl steigt das letzte große Triell.
Das letzte Wort in diesem Schlagabtausch haben die Wähler.