Nach der Flut die Ohnmacht: Mehr Anfragen nach psychologischer Hilfe Von Sabrina Szameitat, dpa

Zwei Monate ist die verheerende Flutkatastrophe in der Eifel und im
Ahrtal nun her. Die psychischen Folgen bei vielen Menschen in der
Region werden erst jetzt deutlich. Entsprechende Angebote verzeichnen
inzwischen viele Anfragen.

Düsseldorf (dpa/lnw) - Zwei Monate nach der verheerenden
Flutkatastrophe unter anderem in der Eifel und im Ahrtal suchen immer
mehr Betroffene psychologische Hilfe. «Das kommt nicht unerwartet,
weil die psychische Verarbeitung zunächst mit einer Phase des
Gegen-Agierens beginnt, die hier sicherlich auch sinnvoll und
hilfreich war», sagte Dieter Adler, der Vorsitzende des Deutschen
Psychotherapeuten Netzwerks (DPNW). «Dann kommt die Verzweiflung mit
der Ohnmacht.»

Das Netzwerk stellte kurz nach der Flutkatastrophe 100 Therapieplätze
für die Akutbehandlung zur Verfügung und richtete ehrenamtlich
Telefonsprechstunden ein. «Unmittelbar nach der Flut war es zunächst
sehr still. Jetzt steigen die Anfragen an.»

Nach massivem Starkregen, der in der Nacht vom 13. auf den 14. Juli
begann, waren in Nordrhein-Westfalen unter anderem in der Eifel und
im Sauerland mehrere Ortschaften überflutet worden. 49 Menschen
verloren allein in Nordrhein-Westfalen ihr Leben, bundesweit gab es
183 Opfer.

Viele Menschen in der Region kämpfen mit den psychischen Folgen. In
der Traumaambulanz der Uniklinik Köln für Kinder und Jugendliche ist
die Angst ein großes Thema unter den Flut-Patienten. Es sei typisch
bei Krisensituationen wie etwa bei dem Hochwasser, dass sich
Betroffene erst nach einiger Zeit melden, sagte die Leiterin der
Spezialambulanz für Traumatisierung, Maya Krischer. «In der Regel
sind Traumasymptome nicht sofort da.» Sie rechnet bis zum Ende des
Jahres mit einer steigenden Zahl von Anfragen.

Zunächst kümmerten sich viele Menschen um faktische Themen - zum
Beispiel das eigene Hab und Gut und die Aufräumarbeiten -, ehe sie
die Ereignisse reflektierten. Ängste, Schlafstörungen, wiederkehrende
und quälende Erinnerungen könnten die Folge sein. «Man beginnt keine

traumaspezifische Behandlung, solange keine Sicherheit da ist», sagte
Krischer.

So werde etwa ein Mädchen behandelt, das extreme Angst habe, in das
eigene Haus zurückzukehren - weil es während des Hochwassers langsam
überflutete. Deshalb möchte die Familie jetzt umziehen. Eine andere
Patientin prüfe jeden Tag 20 Mal die Wetter-App, ob es regnen wird.
Ein weiteres Kind wolle nicht mehr bei Regen vor die Tür gehen. Dies
alles seien von der Naturkatastrophe geprägte Symptome.

Der Verein Israaid Germany will Betroffenen Hilfe in Form einer
Kunsttherapie anbieten. «Unsere Erfahrung ist, dass der Bedarf jetzt
erst steigt: Einfach vor dem Hintergrund, dass sehr, sehr viele
Menschen am Anfang noch mit dem akuten Aufbau und Aufräumen
beschäftigt waren», sagte die Kunsttherapeutin Christine Köhler in

Bonn.

Bereits eine Woche nach der Flut waren Freiwillige des Vereins vor
Ort in NRW und Rheinland-Pfalz, um Schutt, Geröll und Müll mit
wegzuräumen und Betroffenen zuzuhören. Aktuell suche man nach
geeigneten Räumen - zum Beispiel in Seniorenheimen - in denen
Menschen ihre Probleme in der Kunsttherapie langfristig verarbeiten
können.

Die Folgen der Katastrophe würden die Menschen psychisch in jedem
Fall noch lange beschäftigen, glaubt Wolfgang Heiler, leitender
Notfallpsychologe des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL).
Neue Belastungen wie etwa die Bedrohung der materiellen Existenz
könnten neben den psychischen Belastungen dazukommen.