Thüringer Tanzschulen zwischen Ansturm und Angst

Nach zwei Lockdowns in der Corona-Pandemie blicken die Tanzschulen
und -vereine im Freistaat mit gemischten Gefühlen in die Zukunft.
Online-Unterricht ist keine gute Alternative.

Erfurt/Jena/Gera (dpa/th) - Während in manchen Regionen Thüringens
die Nachfrage nach Tanzkursen sehr hoch ist, kämpfen viele Vereine
und Unternehmen mit Umsatzeinbußen durch den Lockdown. «Bisher musste
keine unserer Tanzschulen schließen», erklärt Ronny Pietsch von der
Tanzschule «führbar» in Jena für die Mitglieder des Allgemeinen
Deutschen Tanzverbands (ADTV) im Freistaat. «Ob das auch so bleibt,
wird die Zeit zeigen». Aktuell laufe die Anmeldephase für Herbst- und
Winterkurse. Erst danach sei den Unternehmen ein Fazit möglich. Viele
Interessierte seien angesichts erneut drohender Corona-Restriktionen
aber sehr zurückhaltend.

Die Tanzschule Schaller in Gera, nach eigenen Angaben die älteste
Tanzschule Deutschlands, sei vergleichsweise gut durch die Krise
gekommen, erklärt Geschäftsführerin Therese Schaller. Während des
Lockdowns habe die Schule über die sozialen Medien Kontakt zu den
Kunden gehalten. Da alle Räume in Familienbesitz und das Unternehmen
ein reiner Familienbetrieb sei, hätten sich die Kosten im Rahmen
gehalten. Auch die Nachfrage sei extrem gut. Für Schulen, die Räume
mieten und Tanzlehrer bezahlen müssen, sei es deutlich schwieriger.

«Wer sich im Lockdown nicht um seine Kunden gekümmert hat, geht den
Bach runter», fasste Bernhard Prodoehl vom Tanzhaus in Erfurt, für
den die Zwangsschließung mit deutlichen Umsatzeinbußen verbunden war,
die Lage zusammen. Gleich nach Beginn des zweiten Lockdowns, der für
den Präsenzunterricht eine Pause von November 2020 bis zum Juni 2021
bedeutet hatte, habe er deshalb alle Räume digital aufgerüstet.
«Während das bei Fitness-Angeboten recht einfach ist, ist
Ballett-Unterricht oder Stepptanz nur sehr schwer online umzusetzen.»
Das Team des Tanzhauses hätte bis zu 60 digitale Stunden in der Woche
angeboten. Durch die fehlende Interaktion mit den Tanzschülern seien
solche Stunden für die Lehrkräfte aber deutlich anstrengender als
Präsenzveranstaltungen.

Bei den Kunden habe sich mit zunehmender Dauer des Lockdowns zudem
eine gewisse Online-Müdigkeit breit gemacht, ergänzt Pietsch. Anfangs
seien entsprechende Angebote gut angenommen worden. Tanzschulen
hätten neben Online-Kursen sogar Live-Bands gestreamt oder den
Tänzerinnen und Tänzern Verpflegungssets für einen Online-Ball nach
Hause geschickt. Auch der Weltrekord für den «Größten Cha-Cha-Cha i
n
Videokonferenz», an dem deutschlandweit 1404 Paare teilgenommen
hatten, habe viele Tänzer in Thüringen angezogen, so Pietsch. Weil es
zu Hause aber weniger Platz gebe und das Gefühl des gemeinsamen
Tanzens gefehlt habe, seien viele mit der Zeit abgesprungen.

Die Tanz-Demo vor der Thüringer Staatskanzlei im Mai, mit der auf die
Lage der Tanzschulen aufmerksam gemacht werden sollte, habe aber
dafür gesorgt, dass die Inhaber der verschiedenen Schulen ins
Gespräch gekommen seien.

Auch beim Thüringer Tanzverband, in dem unter anderem Vereine,
Folkloregruppen und kleine Tanzschulen organisiert sind, hätten
bisher keine Mitglieder aufgegeben. «Während sich die Vereine in
ländlichen Regionen wie dem Thüringer Wald oder dem Werratal vor
Anfragen kaum retten können, stehen andere vor dem Aus», erklärt
Geschäftsführer Jörg Lübbe. Vor allem Folkloretanzgruppen seien weg
en
des geringen Abstands der Tänzer besonders stark von Restriktionen
betroffen. In künftigen Haushaltsverhandlungen seien Kommunen
gefragt, örtliche Vereine weiter verlässlich zu unterstützen.

Für die Zukunft hoffen die Tanzschulen nach eigenen Angaben nun auf
möglichst gute Nachfrage, möglichst geringe neue Einschränkungen und

auf vernünftige Entscheidungen der Behörden. «Wir würden uns
wünschen, dass die Verantwortlichen in die Tanzschulen kommen und
sich die Lage vor Ort anschauen», so Pietsch. Im Lockdown hätten für

alle Einrichtungen, ungeachtet der Größe und der Hygienemaßnahmen,
die gleichen strengen Auflagen gegolten. Nötig sei aber eine stärkere
Differenzierung. «Die Menschen wollen tanzen und werden wieder in die
Tanzschulen kommen», fasst Bernhard Prodoehl zusammen. «Die Frage ist
nur, wie lang die Strecke dorthin ist.»