Zwei Inseln, eine Corona-Strategie: Ist «Zero Covid» noch machbar? Von Carola Frentzen und Rebekah Lyell, dpa

Lange haben Australien und Neuseeland versucht, das Coronavirus
komplett auszumerzen - doch dann kam die Delta-Variante. Während der
fünfte Kontinent das Scheitern von «Zero Covid» einräumt, will der

Nachbar weiter an der Strategie festhalten.

Sydney/Wellington (dpa) - Es war ein schöner Traum, den Australien
und Neuseeland seit Beginn der Corona-Pandemie verfolgten. Das Virus
gar nicht erst ins Land lassen, den Übeltäter austilgen und so normal
wie möglich weiterleben - so das Modell der Inselstaaten. Der Preis
für die Null-Covid-Strategie: Komplette Abschottung, geschlossene
Grenzen, strengste Quarantäneregeln für die wenigen Einreisenden und
immer neue, kurzfristig angeordnete Lockdowns für ganze Landesteile
bei weniger als einer Handvoll Neuinfektionen. Im Gegenzug verfügten
die Bürger viele Monate lang über beneidenswerte Freiheiten.

Mit der Ausbreitung der Delta-Variante muss zumindest Australien nun
seine Taktik überdenken. «Es ist unmöglich, Delta zu eliminieren»,

räumte Gladys Berejiklian, Regional-Premierministerin des besonders
gebeutelten Bundesstaates New South Wales, vergangene Woche ein.
Bisher sei die Region mit der Metropole Sydney erfolgreich darin
gewesen, andere Mutanten unter Kontrolle zu bringen. «Aber die
Delta-Variante ist ein Wendepunkt - und jeder Bundesstaat in
Australien wird früher oder später damit leben müssen.»

Bundesstaaten wie Queensland oder Western Australia, die bisher
glimpflicher durch die jüngsten Wellen gekommen sind, warnte
Berejiklian: «Die denken noch, dass sie in einer Fantasie leben
können, im Zero-Covid-Land, aber das geht nicht.» Es sei wichtig, die
Realität so schnell wie möglich zu akzeptieren. Auch ihr Amtskollege
Daniel Andrews aus dem Bundesstaat Victoria gab zu, Null-Covid sei
«nicht mehr länger eine realistische Strategie».

Sein Bundesstaat mit der Millionenstadt Melbourne hatte mehr als
jeder andere mit vielen kleineren Ausbrüchen zu kämpfen und befindet
sich bereits zum sechsten Mal im Lockdown. Die Fallzahlen bewegen
sich dennoch weiter auf einem - für australische Verhältnisse - hohen
Niveau. Auch New South Wales, seit zehn Wochen im strikten Lockdown,
hat den Höhepunkt der jüngsten Welle noch nicht erreicht.

Die Parole lautet nun: Impfen, impfen, impfen. Gleichzeitig wollen
die Behörden die Corona-Zahlen so niedrig wie irgend möglich halten.
«So können wir Zeit gewinnen, bis genug Menschen geimpft sind», sagte

Andrews. Ziel ist eine Herdenimmunität, da auch Australien langsam
dämmert, dass die Grenzen nicht für immer dicht bleiben können.

Einige Regionalpremiers wehren sich noch, überhaupt an eine Öffnung
zu denken. Berejiklian betonte, das sei realitätsfern. «Ich weiß
nicht, wie lange sich Bürger in anderen Bundesstaaten das Leben in
einer solchen «bubble» (Blase) noch gefallen lassen. Nicht für
immer», warnte sie. Mehrmals kam es bereits zu Protesten gegen die
Corona-Politik mit Dutzenden Festnahmen.

Die Impfkampagne stand zunächst nicht hoch auf der Prioritätenliste
der Regierung - zu sicher war man sich, das Virus auch ohne Vakzine
eine Zeit lang in Schach halten zu können. Impfstoffe wurden erst
spät und nicht in genügendem Umfang besorgt. Hinzu kam eine
chaotische Kommunikation speziell im Hinblick auf den
Astrazeneca-Impfstoff und mögliche Nebenwirkungen. Nach dem Auftreten
von Blutgerinnseln bei jüngeren Bürgern darf das Vakzin jetzt nur
noch über 60-Jährigen gespritzt werden.

Trotz allem: Ein starkes Argument für die Null-Fall-Strategie ist,
dass sie vielen das Leben gerettet und schwere Krankheitsverläufe und
Long-Covid-Symptome verhindert hat. Australien (25 Millionen
Einwohner) hat bis heute nur etwa 65 000 Fälle und 1000 Todesfälle
verzeichnet. Das kleine Neuseeland mit 5 Millionen Bürgern
registrierte weniger als 4000 Infektionen und nicht einmal 30 Tote.

Nach einem längeren Lockdown zu Beginn der Pandemie war Neuseeland 18
Monate lang zu einer beneidenswerten Normalität zurückgekehrt - samt
voller Stadien und Konzerten mit Zehntausenden maskenlosen Besuchern.
Nach der Bestätigung eines einzigen lokal übertragenen Falls in der
Großstadt Auckland rief Ministerpräsidentin Jacinda Ardern am 18.
August umgehend einen landesweiten Lockdown aus. Innerhalb weniger
Stunden waren die Straßen von Dunedin bis Whangarei wie leer gefegt,
Geschäfte und Cafés geschlossen und die Kinder im Homeschooling.

Die Zahlen stiegen dennoch zunächst, zeitweise lagen sie bei mehr als
80 Neuinfektionen pro Tag. Mittlerweile sind sie aber wieder auf etwa
20 tägliche Fälle gesunken, so dass die Regeln am Mittwoch weitgehend
gelockert wurden. Lediglich die Millionenmetropole Auckland, das
Epizentrum des jüngsten Ausbruchs, bleibt vorerst im Lockdown. Mit
dem Impfen hat sich aber auch Neuseeland Zeit gelassen: Bisher sind
nur etwa 25 Prozent der Einwohner vollständig immunisiert.

Experten sind überzeugt, dass gerade der extrem schnell ausgerufene,
harte Lockdown ein weiteres Mal Schlimmeres verhindert hat. Die
Bürger wünschen sich laut einer in der Zeitung «New Zealand Herald»

veröffentlichten Umfrage von Ende August auch weiterhin mit großer
Mehrheit eine Null-Covid-Strategie.

«Der Abwärtstrend bei den Fallzahlen ist vielversprechend. Wenn wir
so weitermachen, wie wir es derzeit tun, haben wir ausgezeichnete
Chancen, diesen Ausbruch zu eliminieren», sagte Michael Plank,
Statistiker an der Universität von Canterbury in Christchurch. «Aber
es gibt noch viel zu tun: Wie die Erfahrung in Australien zeigt, wird
sich die Delta-Variante die ganze Hand schnappen, wenn wir ihr den
kleinen Finger reichen.»

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