Türkische Ärztin darf nach Terror-Urteil in Deutschland bleiben
Einer türkischen Ärztin drohte nach einem umstrittenen Terror-Urteil
des Münchner Oberlandesgericht die Abschiebung. Die ist nun vom Tisch
- aber nur vorerst.
München/Nürnberg (dpa/lby) - Eine wegen Mitgliedschaft in einer
Terrorgruppe verurteilte türkische Kommunistin darf vorerst in
Deutschland bleiben - und wird erstmal nicht abgeschoben. Das
Ausweisungsverfahren gegen sie ruhe im Moment, teilte Bayerns
Innenminister Joachim Herrmann (CSU) am Mittwoch mit.
«Nach unserer Verfolgung als Kommunisten in der Türkei hatte
ich meine erste Heimat verloren. In Deutschland habe ich eine zweite
Heimat und viele Freunde gefunden. Es wäre schrecklich gewesen, auch
diese zu verlieren», sagte die Ärztin, die als Psychiaterin am
Klinikum Nürnberg arbeitet, laut einer Mitteilung der Gewerkschaft
Verdi.
Das Oberlandesgericht München hatte die Ärztin im Juli vergangenen
Jahres wegen ihrer Mitgliedschaft in der Türkischen Kommunistischen
Partei/Marxisten-Leninisten (TKP/ML) als Terror-Unterstützerin zu
dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Die Richter kamen in dem Mammut-Prozess nach mehr als vier Jahren zu
dem Schluss, dass die Ärztin und neun mit ihr angeklagte Männer
türkischer sowie kurdischer Abstammung für TKP/ML Geld beschafft,
Veranstaltungen organisiert und Mitglieder geworben hatten. Der
erklärten Gegnerin des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan
drohte damit die Abschiebung in das Erdogan-Regime.
Die Verteidigung forderte Freisprüche beziehungsweise die Einstellung
des Verfahrens und legte Revision gegen das umstrittene Urteil ein,
das zwischen zwei Jahren und neun Monaten und sechseinhalb Jahren
Haft für die Angeklagten vorsieht.
Die in den 1970er Jahren gegründete und in Gruppen aufgespaltene
TKP/ML führt einen teils militanten Kampf gegen den türkischen Staat.
In Deutschland beobachtet sie der Verfassungsschutz, sie ist aber
nicht illegal.
Mehrfach hatten Kritiker moniert, die deutsche Justiz mache sich zur
Handlangerin des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, vor dem
Gericht gab es während des Prozesses immer wieder Demonstrationen für
die Angeklagten.
Die Frau habe nun schriftlich erklärt, die Partei nicht mehr zu
unterstützen, sagte Herrmann - zumindest bis zu einem rechtskräftigen
Urteil. Darum sei es möglich, die Ausweisung auszusetzen.
Damit seien die Vorwürfe gegen sie aber keinesfalls vom Tisch,
betonte Herrmann: Sie habe dazu beigetragen, «dass die TKP/ML in der
Türkei terroristische Akte wie Attentate, Entführungen und
Brandstiftungen durchführen konnte, wobei auch unschuldige Menschen
starben». Ein Sprengsatz des bewaffneten Arms der Partei habe «bei
seiner Explosion vier spielende Kinder im Alter von sechs bis zwölf
Jahren in den Tod gerissen».
Nach Angaben Verdis hatte sich der gesamte Deutsche Gewerkschaftsbund
(DGB), mehrere Parteien, Ärzteorganisationen und Amnesty
International dafür eingesetzt, dass die Frau nicht abgeschoben wird.
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