Sportpsychologe Kleinert: «Selbstgemachter Leistungsdruck» relevant

Tokio (dpa) - Sportpsychologe Jens Kleinert sieht im öffentlichen
Eingestehen von mentalen Problemen «das richtige Signal». Einerseits
müsse man sich nicht verstecken mit dieser Problematik, sagte der
Professor für Sport- und Gesundheitspsychologie von der
Sporthochschule Köln im Interview der Deutschen Presse-Agentur.
«Andererseits hat es auch eine gewisse Vorbildfunktion für andere
Sportler und Sportlerinnen, dass man darüber reden darf.»

Wegen mentaler Probleme hatte Turnstar Simone Biles aus den USA am
Mittwoch ihren Start im Einzel-Mehrkampf bei den Olympischen Spielen
in Tokio abgesagt. Japans Tennis-Ass Naomi Osaka hatte sich Anfang
Juni von den French Open zurückgezogen und längere Depressionsphasen
öffentlich gemacht.

Psychologische Probleme seien bei vielen Menschen immer noch ein
Tabuthema, so Kleinert: «Es bedarf Mut, sich darüber zu äußern.»

Letztendlich relevant sei als Ursache der «selbst gemachte
Leistungsdruck. Leidensdruck erkennt man am ehesten daran, dass quasi
jede Freude oder Lebenslust verloren geht», erklärte der 57-Jährige.


«Manchmal ist es auch so, dass die Motivation zum Beispiel extrem
stark sinkt. Oder der Schlaf oder die Fähigkeit, sich zu erholen,
wird stark beeinträchtigt.» Ein ungesunder Erfolgsdruck könne sogar
zum generellen Verlust des Selbstvertrauens führen und so massiv
sein, dass es das komplette alltägliche Leben beeinträchtige.

Wichtig sei eine gute Ansprechperson, so Kleinert, im besten Fall
eine Sportpsychologin oder ein Sportpsychologe, die oder der das Team
ständig betreue. Man müsse dabei herausfinden, ob man die hohen
Ansprüche von außen überhaupt wolle. «Es geht aber auch darum,
Techniken zu erlernen, um mit dem Druck und den Erfolgen umzugehen.»