Herzinfarkt auf Knopfdruck - im Trainingszentrum für Ärzte von morgen Von Andreas Hummel, dpa

Seit Herbst werden auch in Chemnitz Ärzte ausgebildet. Dabei sollen
sie frühzeitig im Studium praktische Handgriffe und Abläufe am
Patienten lernen. Zu Besuch im Trainingszentrum.

Chemnitz (dpa/sn) - Herr Meier röchelt in seinem Bett. Sein Brustkorb
hebt und senkt sich unter der Decke, der Apparat neben ihm zeigt an,
dass er zu wenig Sauerstoff im Blut hat. Julia Enselait in blauer
Krankenhauskluft tritt an sein Bett, spricht ihn an und stellt die
Kopfstütze höher. «Atmen Sie mal schön durch die Nase», spricht s
ie
ihm zu. Ihr Kollege Christian Etzrodt unterstützt sie, hört den
Brustkorb per Stethoskop ab. Alles deute auf Atemnot hin, wie sie bei
einer Lungenentzündung oder Asthma auftreten könne, erklärt Enselait.

Herr Meier ist kein echter Patient, er ist ein Phantom. So nennen die
Mediziner solch lebensechte Hightech-Puppen, die auf Knopfdruck zum
Beispiel einen Schlaganfall oder Herzinfarkt erleiden. Damit künftige
Ärzte frühzeitig verschiedene Behandlungsszenarien und Abläufe etwa

im OP oder bei der Reanimation üben können, hat das Klinikum Chemnitz

eine Station zum Trainingszentrum umgebaut. Hier lernen sie Spritzen
zu setzen, Wunden zu nähen, Blut abzunehmen, aber auch Patienten zu
reanimieren, zu intubieren und erste Schritte in der Endoskopie.

«Was für den Piloten der Flugsimulator ist, ist für Medizinstudenten

das Skills Lab», betont Studiendekan Thomas Noll von der TU Dresden.
Ziel sei, Studenten sehr früh an Patienten heranzuführen. Konnten
junge Menschen bisher im Freistaat nur in Dresden und Leipzig Medizin
studieren, ist vorigen Herbst auch in Chemnitz ein Modellstudiengang
Humanmedizin gestartet. Jedes Jahr können dort 50 Männer und Frauen
ein Medizinstudium beginnen. Eine wichtige Säule dieses Angebots sei
neben der Digitalisierung die frühe Verzahnung von Theorie und
Praxis, erklärt Noll. Dabei kommt das Trainingszentrum ins Spiel, wo
die Studenten schon ab dem 2. Semester Praxiseinheiten absolvieren
und sich auf den Umgang mit echten Patienten vorbereiten.

Zur Ausstattung gehört auch eine echt wirkende Frauenleiche.
Intensiv- und Notfallmedizinerin Katrin Slany führt in einen
Nebenraum. Dort öffnet sie eine schwarze Kiste, in der die Puppe
aufbewahrt wird. Sie könne individuell geschminkt und drapiert
werden, erzählt Slany. Das diene dazu, die ärztliche Leichenschau und
den Umgang mit Schwerstverletzten nach Verkehrsunfällen zu üben. Wert
wird aber nicht nur auf die richtigen Handgriffe gelegt, sondern auch
auf die Kommunikation. Dazu wurde ein Schauspieler des städtischen
Theaters ins Boot geholt. Er schlüpft in die Rolle des Patienten, so
dass Arzt-Patienten-Gespräche realitätsnah trainiert werden können -

auch zu schwierigen Themen und mit Blick auf die nonverbale
Kommunikation.

Solche Trainingszentren gibt es den Angaben zufolge auch für die
Ärzteausbildung in Dresden und Leipzig. Sie hätten dort aber erst ab
dem 5. Semester Ausbildungseinheiten absolviert, erzählen Enselait
und Etzrodt. Beide stehen schon am Ende ihres Medizinstudiums und
sind nun in Chemnitz im praktischen Jahr. Das neue Zentrum dort sei
sehr durchdacht und gut aufgebaut, bestätigen sie.

Von einem «hervorragenden Trainingsort» für angehenden Ärzte sprich
t
der ärztliche Leiter des Medizincampus Chemnitz, Lutz Mirow. Nachdem
sich das zweite Semester des ersten Jahrgangs dem Ende neigt,
beobachtet der Chirurg positive Effekte des Studiengangs für den
Standort insgesamt. Er sei nicht nur ein Experimentierfeld für neue
Lernformen, die hier erprobt und dann auf Studiengänge andernorts
übertragen werden könnten. Auch sei das Klinikum damit attraktiver
für Ärzte geworden, was sich bei der Besetzung freier Stellen
niederschlage. «Wir haben eine Akademisierung des Standortes.»

Und die wird weiter vorangetrieben. Laut Studiendekan Noll ist
geplant, zwei Lehrstühle in Chemnitz einzurichten. Sie werden sich
mit Versorgungsforschung und medizinischer Didaktik befassen. Zu den
Besonderheiten gehört auch, dass Studenten erfahrene Mentoren zur
Seite gestellt werden. «Das kann ein Arzt oder eine Ärztin hier im
Krankenhaus sein, aber auch ein niedergelassener Arzt», erläutert
Mirow. Dazu würden gezielt Ärzte in der Region angesprochen. «Im
Idealfall findet so der Praxisinhaber seinen Nachfolger.»

Denn erklärtes Ziel des Modellstudiengangs ist, die Versorgung mit
Ärzten in der Region zu verbessern - gerade mit Blick auf zahlreiche
Mediziner, die in den nächsten Jahren in den Ruhestand gehen. Von
einem erhofften «Klebeeffekt» ist die Rede. Im ersten Jahr sind von
den ursprünglich 50 Studenten den Angaben nach noch 46 dabei. Im
Herbst wird dann der nächste Jahrgang das Medizinstudium aufnehmen
und dann bald auch im neuen «Skills Lab» auf Patienten vorbereitet.

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