Post von der Rentenkasse - Ersten Geringverdienern winkt Grundrente Von Basil Wegener, dpa
Über kaum ein anderes Projekt hat die Koalition so gestritten wie
über die Grundrente. Bald werden die ersten Bescheide verschickt.
Viele erfahren aber erst später, ob sie den Aufschlag bekommen.
Berlin (dpa) - Mehr als ein halbes Jahr nach Einführung der
Grundrente sollen die ersten Rentnerinnen und Rentnern den Aufschlag
bald auf ihr Konto ausgezahlt bekommen. «Wir sind in den letzten
Zügen bei der Vorbereitung, und es kann bald losgehen», sagte der
Rechtsexperte der Rentenversicherung, Christoph Schnell, am Dienstag
in Berlin. Die ersten Bescheide an Neurentner könnten im Juli
verschickt werden. Insgesamt will die Rentenversicherung in diesem
Jahr bei sieben bis acht Millionen Rentnerinnen und Rentnern prüfen,
ob sie den Aufschlag bekommen. Bis Ende 2022 sollen alle 26 Millionen
Renten daraufhin überprüft werden. Ausgezahlt wird rückwirkend ab 1.
Januar. Damals war der Zuschlag zur Altersrente, Rente wegen
Erwerbsminderung oder Rente wegen Todes eingeführt worden.
«Dass die Grundrente jetzt ausgezahlt werden kann, ist das Verdienst
der Beschäftigten der Deutschen Rentenversicherung», sagte Anja Piel,
Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes und Vorsitzende
des Vorstands der Rentenversicherung der Deutschen Presse-Agentur.
Schnell sprach von einem «Megaprojekt» - das «komplizierte, komplexe
Gesetz» der Koalition sei nun zur Umsetzung bereit.
WIE VIELE MENSCHEN GRUNDRENTE BEKOMMEN:
Rund 900 000 Frauen und 400 000 Männer sollen den Aufschlag für
langjährige Geringverdiener bekommen. «Es ist kein Antrag
erforderlich», versicherte Schnell. Neurentner sollen in ihren
Bescheiden rasch sehen können, ob sie zu den Empfängerinnen und
Empfängern zählen. Bestandsrentner, die schon Rente beziehen, sollen
nur entsprechende Infos erhalten, wenn sie auch Grundrente bekommen.
Im Schnitt soll die Grundrente 75 Euro betragen. Maximal gibt es 418
Euro. Berechnet wird sie jeweils individuell.
WER GRUNDRENTE BEKOMMT:
Grundrente bekommt, wer mindestens 33 Jahre Beiträge für
Beschäftigung oder selbstständige Tätigkeit gezahlt hat oder dabei
auch Zeiten für Kindererziehung oder Pflege aufweist oder Kranken-,
Übergangs- oder Kurzarbeitergeld bezogen hat. Erst ab 35 Jahre gibt
es den vollen Zuschlag. Die Grundrente richtet sich an
Geringverdiener, aber die Beitragsleistung muss mindestens 30 Prozent
des Durchschnittsverdienstes entsprochen haben. Den vollen Aufschlag
erhält zudem nur, wessen Monatseinkommen als Rentner bei maximal 1250
Euro bei Alleinstehenden oder 1950 Euro bei Eheleuten oder
Lebenspartnern gelegen hat.
BEISPIELE FÜR GRUNDRENTE:
Beispiel Sabine Meier, die 40 Jahre in einem Erlanger
Bekleidungsgeschäft angestellt war. In diesem erdachten Beispiel geht
die Rentenversicherung nach unterm Strich unterdurchschnittlichem
Verdienst von einer Rente von 1026 Euro aus. Der Grundrentenzuschlag
beträgt 52 Euro. Allerdings werden die Einkommen von Meier und ihrem
Mann geprüft, die mit zusammen 2000 Euro um 50 Euro über der
Anrechnungsschwelle liegt. Diese 50 Euro werden zu 60 Prozent
angerechnet: Um diese 30 Euro wird der Zuschlag gekürzt - es bleibt
eine Grundrente von 22 Euro übrig. Am Beispiel einer Frau, die 35
Jahre in Ostdeutschland als Pförtnerin gearbeitet hat und auf 814
Euro Rente kommt, sieht man, dass die Grundrente auch deutlich höher
liegen kann: Sie erhält 102 Euro Zuschlag - und inklusive Grundrente
folglich 916 Euro Rente.
WARUM DIE GRUNDRENTE KOMPLIZIERT IST:
Bei jeder Rentnerin und jedem Rentner wird geprüft, ob 33 Jahre
Grundrentenzeiten zusammengekommen sind und die erworbenen
Entgeltpunkte, nach denen die Rente berechnet wird, im vorgegebenen
Bereich liegen. Bei den Neurentnern können diese Prüfungen nun ab
Juli stattfinden. Wenn kein Anspruch auf Grundrente besteht, kann der
Rentenbescheid dann verschickt werden. Sind die Voraussetzungen für
Grundrente aber erfüllt, kommt erst noch die Prüfung des Einkommens
über eine neue Datenautobahn. Geprüft werden das zu versteuernde
Einkommen, der steuerfreie Teil der Rente sowie Kapitalerträge.
ABLAUF DER EINKOMMENSPRÜFUNG:
Dafür wird die Steuer-Identifikationsnummer der Betroffenen beim
Bundeszentralamt für Steuern verifiziert und die Nummern der
Ehepartner ermittelt. Dann kommt die eigentliche Einkommensabfrage
beim jeweiligen Finanzamt. Erst wenn die Antwort bei der
Rentenversicherung eingegangen ist, kann diese die tatsächliche
Grundrente ermitteln, mitteilen und den Zuschlag mit der Rente am
Monatsende auszahlen. Der Datentransfer für die Einkommensprüfung
dürfte oft rund vier Wochen dauern. Ob die erste Grundrente noch im
Juli fließt, ist daher ungewiss. Bei den 1,7 Millionen Rentnerinnen
und Rentnern im Ausland erfragt die Rentenversicherung das Einkommen
direkt.
WELCHE RENTEN ALS NÄCHSTES GEPRÜFT WERDEN:
Nach dem Start bei den Neurentnern will die Rentenversicherung im
zweiten Halbjahr die Rentner von Menschen mit Grundsicherung,
Wohngeld oder anderen Fürsorgeleistungen prüfen - sowie die Bezüge
der Hochbetagten, die bereits vor 1992 Rente bezogen haben. In Wellen
folgen bis zum vierten Quartal 2022 die Millionen weiteren Renten.
Die Rentenversicherung erwartet, dass nach der Einkommensprüfung etwa
fünf Prozent der Renten einen Zuschlag erhalten. Rentnerinnen und
Rentner mit mindestens 33 Jahre Grundrentenzeiten und Grundsicherung
oder anderen Fürsorgeleistungen, erhalten zudem neu einen Freibetrag
von bis zu 223 Euro.
WIE ES WEITERGEHT:
Knapp 1000 neue Stellen hat die Rentenversicherung für die Umsetzung
der Grundrente geschaffen. 400 Millionen Euro kostet die Einführung.
Auch künftig wird viel geprüft - die Einkommen der Betroffenen
nämlich jährlich neu. Künftige Änderungen am Gesetz sind aber nicht
ausgeschlossen. Bereits bevor sich Union und SPD im Herbst 2019 auf
die Grundrente geeinigt haben, hatten sie fast bis zum
Koalitionsbruch darüber gestritten. Gewerkschafterin Piel fordert,
die «aufwendige und völlig unsinnige Einkommensanrechnung» wieder zu
kippen. Während SPD-Fraktionsvize Katja Mast die Grundrente nun noch
einmal als «sozialpolitischen Meilenstein» feierte, kritisierte
FDP-Rentenexperte Johannes Vogel sie als «schlechtes Modell», da
Altersarmut so nicht zielgenau bekämpft werde.
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