Homeoffice-Pflicht läuft aus: «Uhren lassen sich nicht zurückdrehen » Von Christiane Raatz, dpa
Die Corona-Pandemie hat die Jobwelt verändert. Wo es früher undenkbar
schien, wird seit Monaten zu Hause gearbeitet Ab Juli müssen Chefs
ihren Mitarbeitern kein mobiles Arbeiten mehr anbieten. Wie gehen
Sachsens Firmen damit um?
Dresden (dpa/sn) - Verwaiste Schreibtische, leere Gänge. Das Schild
«Arbeitsbereich. Bitte Ruhe halten» ist derzeit beim Dresdner
Chiphersteller Globalfoundries nicht unbedingt nötig: In den
Großraumbüros sitzt derzeit kaum jemand für einen lauten Schwatz. Von
den mehr als 3000 Beschäftigten arbeitet derzeit gut die Hälfte mobil
- je nach Aufgabe auch komplett im Homeoffice. Gut 1500 Mitarbeiter
hingegen halten die Stellung im Reinraum, den Laboren oder in der
Energie- und Medienversorgung. «Am Standort sind derzeit deutlich
weniger Mitarbeitende, das merkt man», sagt Sprecherin Karin Raths.
Seit März 2020 - zu Beginn der Corona-Pandemie - hat der
Halbleiterhersteller seine Beschäftigten ins mobile Arbeiten
geschickt und dafür zusätzlich Smartphones und Laptops angeschafft.
Die Zahl der Neuinfektionen sinkt, zudem sind immer mehr Menschen
geimpft. Die Corona-Vorschriften am Arbeitsplatz werden daher
gelockert. Das Bundeskabinett hatte am Mittwoch Anpassungen in der
Corona-Arbeitsschutzverordnung gebilligt. Sie treten am 1. Juli in
Kraft und gelten bis 10. September. Die Betriebe müssen zwar
weiterhin Tests anbieten und Hygienepläne erstellen, aber die
Kontakte nicht mehr so stark reduzieren. Beschäftigte sollen auch
weiterhin im Homeoffice arbeiten, doch die strikte Vorgabe von
Homeoffice läuft am 30. Juni mit der Bundesnotbremse aus. Seit Januar
müssen Arbeitgeber dort wo möglich, Homeoffice anbieten.
Wie handhaben das Unternehmen in Sachsen? Kehren im Juli die
Mitarbeiter in Scharen in die Büros zurück und alles wird wie früher?
Verlässliche Prognosen lassen sich nach Ansicht des Wirtschafts- und
Arbeitsministeriums kaum treffen. Man geht aber davon aus, dass die
Möglichkeit zum mobilen Arbeiten in vielen Firmen auch weiter genutzt
wird. Die Pandemie sei noch nicht vorüber, hieß es.
Arbeitsminister Martin Dulig sieht im Homeoffice hingegen kein
«Pandemie-Phänomen», sondern eine wichtige Alternative zur Arbeit im
Büro. «Auch nach dem Ende der gesetzlichen Pflicht sollte die
Möglichkeit des Homeoffice weiter genutzt werden, denn Beschäftigte
und Arbeitgeber profitieren von den Vorteilen und von flexiblen
Arbeitsmodellen», so der SPD-Politiker. Er unterstützt den Vorschlag
von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil für ein modernes Gesetz zum
mobilen Arbeiten.
«Homeoffice braucht gesetzliche Leitplanken», fordert auch Sachsens
DGB-Vorsitzender Markus Schlimbach. Nur so können sie vor
Schattenseiten wie unsichtbaren Überstunden und ständiger
Erreichbarkeit geschützt werden. Die letzten Wochen und Monate hätten
gezeigt, dass Homeoffice ein wirksamer Schutz vor Infektionen sei.
Aus Sicht von Schlimbach sollte daher das mobile Arbeiten überall
dort, wo es möglich, beibehalten werden.
Auch ohne Gesetz stellen sich viele Firmen darauf ein, dass die
Mitarbeiter zumindest tageweise ihren Job von zu Hause machen wollen:
Homeoffice und Videokonferenzen werden auch mit der Rückkehr zur
Normalität nicht ganz verschwinden, heißt es etwa in den Deutschen
Werkstätten Hellerau. Vor der Corona-Krise war das Arbeiten von zu
Hause zwar möglich, aber eher die Ausnahme. Seit März des vergangenen
Jahres gehört es für viele zur Normalität. Die Umstellung auf
«remote» habe problemlos geklappt, sagt Sprecherin Juliane Richter.
Die Werkstätten arbeiten seit Jahren mit weltweiten Partnern
zusammen. «Weshalb die Digitalisierung durch den häufigen
Datenaustausch bei uns ohnehin schon sehr weit fortgeschritten war.»
Eine Reduzierung oder ein Umbau der Büroflächen ist in Hellerau nicht
geplant. Gearbeitet wird auch künftig in zwei offenen
Bürolandschaften mit insgesamt 180 Plätzen. Damit habe man in den
vergangenen 15 Jahren gute Erfahrungen gemacht, so Richter. Auch beim
Energieversorger VNG in Leipzig hat sich einiges geändert: Vor der
Corona-Pandemie konnte in der Regel ein Tag pro Woche mobil
gearbeitet werden und war somit noch eher die Ausnahme. «Seit Beginn
der Pandemie wurde mobiles Arbeiten, da wo es möglich ist, der
Normalfall», so ein Sprecher. Hybride Arbeitszeitmodelle soll es bei
dem Energieversorger auch künftig geben.
Die Industrie- und Handelskammer (IHK) Dresden wertet das Ende der
Homeoffice-Pflicht als gutes Zeichen. Angesichts der stark gesunkenen
Infektionszahlen sei eine strikte Kontaktvermeidung nun nicht mehr
nötig, sagt Sprecher Lars Fiehler. «Nach vielen Monaten Erfahrung bei
Chefs und Arbeitnehmern lässt sich die Uhr in Sachen Homeoffice
vermutlich nicht mehr komplett zurück drehen.» Beide Seiten hätten
Vor- und Nachteile «hautnah» erlebt.
Ob sich das Arbeitsmodell durchsetze, bleibe abzuwarten, so Fiehler.
Während der Pandemie ging es aus Sicht der IHK weniger darum, ob die
Mitarbeiter mobil arbeiten mochten oder ob sich der Job überhaupt
dafür eignete. «Wer parallel zum Homeoffice noch Kinder zu Hause
betreuen musste, hat vermutlich erst mal genug von der schönen neuen
Arbeitswelt und will einfach nur zurück ins Büro.» Fiehler mahnte,
bei Absprachen die Interessen beider Seiten zu beachten. Ein Recht
auf Homeoffice wäre demnach genauso falsch wie eine Verpflichtung,
von daheim oder grundsätzlich in Präsenz zu arbeiten.
Der Chiphersteller Globalfoundries will das mobile Arbeiten je nach
Aufgabe auch nach der Pandemie ermöglichen. Die Erfahrung der
vergangenen Monate sei positiv, auch mit der Hälfte der Belegschaft
im mobilen Modus seien die Wafer pünktlich ausgeliefert worden.
Sprecherin Karin Raths spricht von einem «Modell der Zukunft in
vielen Unternehmen.»
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