Bundeswehr setzt auf Biosensoren - mehr Gesundheitsdaten und Leistung Von Jens Albes, dpa

Welche Verwundeten müssen zuerst versorgt werden? Wie lässt sich die
Leistung von Soldaten steigern? Die Streitkräfte nutzen hierfür
zunehmend Biotechnologie. Doch es gibt auch Risiken.

Koblenz (dpa) - Fitnessuhren und Biosensoren entwickeln sich rasant
weiter und werden auch für Soldaten immer wichtiger. Die Koblenzer
Koordinationsstelle für die Sanitätsdienste von Nato und EU strebt
den Aufbau eines internationalen Zentrums an, um Projekte mit
Biosensoren voranzutreiben - und Gefahren zu erkennen. Manipulation
der Daten von Fitnessuhren, Bestrahlung gegnerischer Soldaten mit
Ultraschall - auch dies ist in Streitkräften inzwischen denkbar.

Die Koordinierungsstelle Multinational Medical Coordination
Centre/European Medical Command hat kürzlich einen digitalen Workshop
mit 30 Referenten und 130 Teilnehmern in rund 20 Staaten zu
Biosensoren veranstaltet. Ihr Leiter Stefan Kowitz berichtete: «Die
positive Resonanz hat gezeigt, dass wir den Nerv der Zeit getroffen
haben.» Die Teilnehmer hätten betont, dass Qualität, Robustheit,
Datensicherheit und internationale Zusammenarbeit bei Biosensoren für
Soldaten weiter entwickelt werden müssten.

Monika Rausch von der Koordinierungsstelle überwacht beim Joggen
Strecke, Tempo und Herzfrequenz mit einer Fitnessuhr. «Im Sport sind
Biosensoren schon lange nicht mehr wegzudenken, warum also nicht auch
im Militär? Ich bin überzeugt, Biosensoren können militärische
Leistungen verbessern und die Ausbildung sinnvoll unterstützen», so
die Sportwissenschaftlerin mit dem Dienstgrad eines Hauptmannes.

Laut Generalarzt Kowitz bietet die Industrie längst viele technische
Lösungen an. «Wir müssen uns jedoch auf die dringenden Bedürfnisse

konzentrieren, die unsere sanitätsdienstliche Unterstützung auf dem
Gefechtsfeld weiter verbessern oder die gesundheitliche
Leistungsfähigkeit und Bereitschaft unserer Einsatzkräfte
optimieren», ergänzte Kowitz in der Koblenzer Rhein-Kaserne. Hier
befinden sich auch das Kommando Sanitätsdienst der Bundeswehr und ein
Labor mit Mikroskopen unter anderem für die Analyse von Gewebeproben
verwundeter Soldaten.

Besonders wichtig können digitale Messfühler bei gefährlichen
Einsätzen werden. Oberleutnant Alexander Schäbler sagte: «Bei einem
Ereignis mit vielen Verletzten kann die verzugslose Messung und
Übertragung von Casualty-Data, also der Daten der verletzten und
verwundeten Soldaten, unabhängig vom menschlichen individuellen
Stressresistenzlevel sichergestellt werden und dadurch Leben retten.»
Daten wie Herzfrequenz und Körpertemperatur sollen rascher einen
Überblick verschaffen, wer zuerst und wie behandelt werden muss.

Generalarzt Kowitz erklärte: «Somit entsteht in bestimmten
Einsatzszenarien ein schnelles und schlüssiges Lagebild.»
Korvettenkapitän Rico Maderthoner betonte allerdings auch, die
digital unterstützte Entscheidung, wer eine lebensrettende Behandlung
erhalte und wer nicht, bleibe letztlich «nicht nur eine technische,
sondern auch ethische Fragestellung».

Bei ABC-Kampfmitteln, also atomaren, biologischen und chemischen
Kampfstoffen, könnten laut Kowitz künftig beispielsweise in Uniformen
integrierte Biosensoren eine Doppelrolle spielen: diese Gefahren
erkennen und zugleich die Gesundheitsdaten von Soldaten überwachen.

Der Workshop hat Maderthoner zufolge gezeigt, wie das Militär den
Fortschritt in der Biotechnologie schon teils nutzt. Soldaten müssten
oft «an ihre Leistungsgrenze gehen und sogar darüber hinaus.
Biosensoren sollen diesen Prozess vereinfachen, bewusst steuern und
professionalisieren.»