Südostasien in der Corona-Zange: Vorzeigeregion wird zum Sorgenkind Von Carola Frentzen, dpa

Neidisch blickte die Welt bis vor kurzem auf Teile Südostasiens, wo
die Corona-Pandemie scheinbar nie richtig ausgebrochen war. Das ist
jetzt anders. Ob Thailand, Vietnam oder Malaysia: Viele Länder
erleben ihre bisher schwersten Wellen. Was ist passiert?

Bangkok (dpa) - Als im vergangenen Jahr die halbe Welt unter der Last
der Corona-Zahlen und der überlasteten Gesundheitssysteme
dahinsiechte, erfreuten sich Teile Südostasiens einer erstaunlichen
Normalität. Voll besetzte Tuk Tuks bahnten sich ihren Weg durch
Metropolen wie Bangkok und Phnom Penh, Gläubige bevölkerten Tempel
und Moscheen und Karaoke-Bars wurden von Feierwütigen gestürmt. Die
Neuinfektionen beliefen sich dennoch nur auf einige Dutzend am Tag -
wenn überhaupt. Aber seit Anfang des Jahres kämpfen nun auch Länder
wie Thailand, Vietnam und Malaysia gegen schwere Virus-Wellen.

Warum die Region so lange recht glimpflich durch die Pandemie kam,
ist nicht völlig geklärt. Manche sagen, die schnellen
Grenzschließungen Anfang 2020 hätten geholfen. Andere meinen, das
schwül-heiße Klima habe Sars-CoV-2 im Zaum gehalten. Wieder andere
nennen die Selbstverständlichkeit, mit der die meisten Asiaten
allerorts eine Maske tragen, als Grund.

Fakt ist, dass immer mehr asiatische Nationen in strikte Lockdowns
gehen müssen, während sich Europa gerade wieder öffnet. Dabei wollten

Länder wie Malaysia und Thailand dies aus Angst vor dem
wirtschaftlichen Kollaps eigentlich um fast jeden Preis vermeiden.

Das aufstrebende Schwellenland Malaysia ist seit dem 1. Juni nach
tagelangen Rekord-Infektionen mit mehr als 7000 Fällen pro Tag im
«totalen Lockdown». Sogar die meisten Unternehmen mussten schließen.

Das Gesundheitsministerium glaubt, dass die Feiern zum Ende des
Ramadan in dem muslimischen Land mitverantwortlich für die Krise
sind. Allerdings verzeichnete das Königreich bereits in den Wochen
davor steigende Zahlen. Zuletzt warnte der Generaldirektor des
Gesundheitsministeriums, Noor Hisham Abdullah: «Die Malaysier müssen
sich auf das Schlimmste vorbereiten.» Die täglichen Zahlen folgten
einem exponentiellen Trend.

Andere Teile Asiens, wie etwa die Mongolei, erleben ebenfalls ihre
bisher schlimmsten Ausbrüche. Weil die Nation zwischen China und
Russland ihre Grenzen sofort rigoros abriegelte, gab es über Monate
überhaupt keine Infektionen. Der erste lokale Corona-Fall wurde erst
im November des vergangenen Jahres gemeldet. Dann ging es schnell
nach oben mit den Zahlen. Zuletzt lag die Sieben-Tage-Inzidenz bei
170. Auch die Inselrepublik Taiwan bemüht sich, die steigenden
Fallzahlen unter Kontrolle zu halten. Derzeit sind das täglich einige
Hundert. Das ist viel, wenn man bedenkt, dass Taiwan 2020 für 250
Tage überhaupt keine neuen Infektionen gemeldet hatte.

Auch in einigen Ländern Südostasiens, darunter Vietnam, Kambodscha
und Laos, sind die Infektionszahlen vergleichsweise viel niedriger
als etwa in Europa, wo bereits gejubelt und gelockert wird. Obwohl
Vietnam (96 Millionen Einwohner) derzeit nur ein paar Hundert neue
Fälle am Tag meldet, schrillen alle Alarmglocken - denn die
Steigerung im Vergleich zu den vergangenen Monaten ist auch hier
beachtlich. Die Situation im Land sei «komplex und komplizierter als
im vergangenen Jahr» - und das, obwohl die Behörden in Hanoi einen
«exzellenten Job» gemacht hätten, sagte der WHO-Vertreter in Vietnam,

Kidong Park, der Deutschen Presse-Agentur.

Die Ursache des Ausbruchs ließ sich ziemlich genau ausmachen: Im Fall
von Vietnam waren ein 27-Jähriger, der aus Japan zurückgekehrt war,
und ein eingereister Chinese nach der Quarantänezeit positiv auf das
Virus getestet worden. Da hatten sie schon mehrere Leute angesteckt.
In Kambodscha sollen vier Chinesen, die Anfang Februar von Dubai nach
Phnom Phenh geflogen waren, durch Bestechung eines Sicherheitsbeamten
ihre Quarantäne gebrochen und ausgiebig in Clubs gefeiert haben. Zwei
hatten Corona, einer brachte die hochansteckende Variante «Alpha»,
die zuerst in Großbritannien entdeckt wurde, ins Land.

Die Ausbreitung war rasant und führte nach Angaben der Zeitung «Khmer
Times» nicht nur zu «Chaos und Panik», sondern auch zum Lockdown in
sechs Provinzen. Der ausgeklügelte Party-Plan der Chinesen habe «13
Monate voller Opfer und harter Arbeit, um die Covid-Situation
erfolgreich einzudämmen, zunichte gemacht», schrieb das Blatt wütend.


Denn mit den Virus-Mutationen ist nicht zu spaßen. Die vietnamesische
Regierung hatte erst kürzlich gemeldet, dass im Land eine neue
Variante entdeckt worden sei - eine Kreuzung aus «Alpha» und «Delta
»
(die zuerst in Indien nachgewiesen wurde), so glaubte man.
WHO-Experte Kidong Park betonte aber jetzt, was als neue
Mischvariante ausgemacht worden sei, gehöre zu «Delta».

Hochansteckende Mutanten sind derweil nicht der einzige Grund für die
steigenden Zahlen: «Hauptfaktor ist eine Kombination aus den leichter
übertragbaren Varianten und dem fehlenden Zugang zu Impfstoffen»,
meint Todd Pollack, Spezialist für Infektionskrankheiten an der
Harvard Medical School.

Denn bei der weltweiten Verteilung der Vakzine bestehe nach wie vor
ein großes Ungleichgewicht, auch wenn erhebliche Fortschritte erzielt
worden seien, so ein WHO-Experte gegenüber der dpa. «Mehr als 75
Prozent aller Impfstoffe wurden in nur zehn Ländern verabreicht»,
rechnete er vor. «Es ist entscheidend, dass wir uns auf eine gerechte
Verteilung konzentrieren, damit alle Länder Zugang zu Impfstoffen
haben, nicht nur die wohlhabenderen Staaten.»

Letztere müssten ärmere Nationen unterstützen und sicherstellen, dass

besonders gefährdete Gruppen überall auf dem Planeten so schnell wie
möglich geschützt würden. «Denn bis alle Länder sicher sind, wird

kein Land sicher sein», ist er überzeugt.

Etwa in Vietnam, wo 13 Million Menschen mehr leben als in
Deutschland, bekamen bis zum 30. Mai nur eine Million Einwohner eine
Impfung. Und im Urlaubsparadies Thailand wurden trotz einer heftigen
Welle, die auch die Inhaftierten in den Gefängnissen in Massen ereilt
hat, erst 1,1 Millionen der 69 Millionen Menschen vollständig
geimpft. Immerhin: Die Insel Phuket, die ab dem 1. Juli geimpften
Reisenden einen quarantänefreien Urlaub ermöglichen will, prescht
voran: Hier erhielt bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung ihr
Vakzin, bis zum Start der Modellregion sollen es 70 Prozent sein.

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